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NRZ: Eine historische Wende - Leitartikel von Rüdiger Oppers
Essen (ots)
Wieder erleben wir Tage, an denen Geschichte geschrieben wird. Gaddafi, einer der brutalsten und unberechenbarsten Diktatoren Arabiens, wird von seinem Volk gestürzt. Freilich mit der militärischen Unterstützung einer Allianz von Staaten, die nicht tatenlos mit ansehen wollten, wie ein skrupelloser, amoralischer Machthaber die Bevölkerung seines geknechteten Landes massakriert.
Mit gezielten Luftschlägen, aber ohne den massiven Einsatz von Bodentruppen ist es unter Führung der Nato gelungen, die Verteidigung Gaddafis zu zermürben. Zweifel an dieser Strategie waren angebracht, aber in den Tagen des Triumphs der libyschen Freiheitsbewegung ist es beschämend, dass Deutschland der Nato die Gefolgschaft versagt hat. Ausgerechnet im Schulterschluss mit China und Russland hat unser Land, das über Jahrzehnte von der Nato mehr profitierte als jedes andere, eine geeinte Aktion der Weltgemeinschaft gegen Gaddafi verhindert.
Wenn die Bundesregierung nun ihre Freude über den Sieg der Freiheitsbewegung erklärt, so muss man ihr entgegenhalten, dass sie dazu nichts beigetragen hat. Im Gegenteil: Am Beispiel Libyens zeigt sich, wie kopflos die deutsche Außenpolitik unter der Amtsführung Guido Westerwelles agiert. Sein deutscher Sonderweg führt in die Irre. Während die europäischen Nachbarn gemeinsam mit den Rebellen das Terrorregime in Tripolis niederringen, ist es der Bundesregierung lediglich gelungen, sich international zu isolieren.
Nach dem Ende der Diktatur muss es darum gehen, den Libyern dauerhaft Frieden und Freiheit zu ermöglichen. Dazu benötigt der Übergangsrat jede Unterstützung. Wer jetzt schon freie Wahlen fordert, ist voreilig und wohl auch naiv. Im Irak führte nach der Niederlage Saddam Husseins ein Machtvakuum zu einem bis heute unbeherrschbaren Chaos. Um in Libyen einen Bürgerkrieg zu verhindern, ist womöglich zunächst ein Friedenseinsatz von UN-Blauhelmen unter arabischer Führung notwendig.
Das Ende Gaddafis wird eine historische Wende markieren, auch im Kampf gegen den Terror. Über Jahrzehnte lang hat der bizarre Diktator nicht nur sein Volk, sondern auch Europa in Angst und Schrecken versetzt. Seine Selbstinszenierung wirkte operettenhaft, so dass er leicht als "irrer Wüstenherrscher" abgetan wurde. Tatsächlich führte er einen unerbittlichen Untergrundkrieg vor allem gegen die USA und Israel.
So wurde auch Europa zum Ziel seines Hasses. Der Anschlag auf die Berliner Diskothek "LaBelle" und der Flugzeugabsturz bei Lockerbie stehen symbolisch für Gaddafis Mordwut gegen den Westen. Weil aber Öl dicker ist als Blut, waren viele europäische Politiker wie der einzigartig peinliche Silvio Berlusconi bereit, sich mit dem passionierten Terroristen zu versöhnen. Ob man nun aus der Geschichte lernt? Die sogenannte "Arabellion" wird nach Ben Ali in Tunesien und Mubarak in Ägypten nun auch mit Gaddafi einen zuvor scheinbar unbezwingbaren Herrscher stürzen. Erstmals war der Westen daran militärisch beteiligt, ohne sich des Vorwurfs des Kreuzrittertums auszusetzen.
In Syrien wird die Zeit für Präsident Assad knapp, den Massenmord an der eigenen Bevölkerung zu beenden. Der Sieg über Gaddafi setzt die Weltgemeinschaft noch mehr unter Druck, auch gegen das syrische Regime energischer vorzugehen. Bei Rücktrittsforderungen wird es nicht mehr bleiben können.
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