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NRZ: Trauer und Wut - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa herrscht europaweit tiefe Betroffenheit. Es gab diesmal zu viele Opfer, als dass man einfach darüber hinwegsehen kann; wie es für gewöhnlich geschieht, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. In den vergangenen Jahren sind Tausende vor den Küsten des Kontinents gestorben, auf den sie vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Armut fliehen wollten. Diese Menschen sind gestorben, weil Europa sich abschottet. Weil die Landwege rigoros dichtgemacht worden sind und ihnen nur die gefährliche Fahrt über das Meer bleibt. Die Katastrophe vor Lampedusa macht nicht nur traurig. Sie macht auch wütend. Wütend auf eine europäische Asylpolitik, die in Flüchtlingen nicht in erster Linie Menschen sieht, die Schutz suchen, sondern Sicherheitsprobleme oder Schnorrer, die sich am westlichen Wohlstand laben wollen und ihn bedrohen. Wütend auf die nationalen Egoismen der zentraleuropäischen Länder, die jedwede Solidarität mit Ländern wie Griechenland, Italien oder Malta verweigern, in denen die Flüchtlinge stranden. Wütend auf die Gleichgültigkeit, mit der hingenommen wird, dass Flüchtlinge in diesen Ländern in Lager interniert oder direkt wieder aufs Meer hinausgetrieben werden. Wenn die Betroffenheit über das Drama nicht nur Heuchelei ist, dann muss endlich etwas geschehen. Es braucht mehr Bemühungen um die Verbesserung der Lebenssituation in den Heimatländern der Flüchtlinge. Es braucht mehr Offenheit und Solidarität in Europa. Es braucht ein europäisches Seenotrettungssystem. Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhalten. Im Umgang mit Flüchtlingen kann sie beweisen, dass sie ihn verdient hat.
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