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Neues Deutschland: Zum Fall Kurras

Berlin (ots)

Durch die Medien wogt derzeit eine Flut von
Bekennerschreiben. Autoren im Alter von 55+ bekennen ihren Irrtum. 
Harald Martenstein, edelfedernder Kolumnist des »Tagesspiegel«, teilt
mit, er habe »ungefähr der gleichen Partei angehört« wie Kurras. Er 
sei Mitglied der DKP gewesen. »Wie politischer Irrtum sich anfühlt, 
weiß ich also recht gut«. Götz Aly, der im letzten Jahr mit seinem 
Buch »Unser Kampf 1968« irritierte, in dem er Analogien zwischen der 
Studentenbewegung und der »Generation von 1933« zog, lässt in der 
»Zeit« wissen, er habe der »Roten Hilfe« angehört. Er vergleicht sich
mit anderen, die »in das Freund-Feind-Denken gebannt« gewesen seien, 
und resümiert, sie alle hätten »unterschiedlich lang (gebraucht), um 
sich von diesem Bann zu befreien«. Thomas Schmid, Chefredakteur der 
»Welt«, der die Hetze der Springerpresse gegen die Studentenbewegung 
nun in Schönschrift umzurubbeln versucht, räumt ein, auch er habe zu 
den »alten Kämpen« gehört, ohne seine Putztruppe »Revolutionärer 
Kampf« namentlich zu nennen. Gerd Koenen, Historiker, bekennt 
ebenfalls eher vage: Der Fall Kurras »betrifft mich persönlich als 
einen unter vielen Tausend jungen Leuten«, die durch den 2. Juni 1967
die »restaurativen Tendenzen« in der westdeutschen Nachkriegsrepublik
bestätigt gesehen hätten. Wäre damals bekannt geworden, dass Kurras 
Stasi-Agent und SED-Mann war, »wäre das (vielleicht) eine heilsame 
Verunsicherung gewesen, für mich wie für viele andere«. Koenen wurde,
dies sei hier präzisiert, später einer der Chefs des KBW, einer 
Gruppe, die mit Pol Pot sympathisierte, sich aber nie einer auch nur 
klammheimlichen Freude über die Existenz der DDR verdächtig machte. 
Auch Tissy Bruns, ex-Chefin der Bundespressekonferenz, bekannte schon
vor einiger Zeit, sie habe ihren Traum von einer besseren Welt »als 
junge Erwachsene an den kommunistischen Irrweg verraten«, sie war 
Funktionärin des MSB und saß im Vorzimmer des DKP-Vorstands. Ach, man
mag den Reumütigen ja gar nicht widersprechen. Es war wohl wirklich 
ihr Irrtum, der DKP, dem MSB, dem KBW, der Roten Hilfe, dem 
Revolutionären Kampf oder manch anderer Organisation angehört zu 
haben. Doch soll, da es ohne solches kaum noch geht, gerne angefügt 
werden: Ich war beim Kommunistischen Bund (KB), das war kein Irrtum.
 Das Irrtum-Outing ist der Kotau vor den restaurativen 
Sichtweisen, die längst die Definitionshoheit auch über die wenigen 
Unangepasstheiten der westdeutschen Geschichte erobert haben. Da 
lesen wir nun, der Fall Kurras werfe »einen Schatten auf die 
westdeutsche Studentenbewegung« (Bernd Ulrich in der »Zeit«). Sack 
und Asche werden zum modernen Anzug. Haben denn alle einen Schatten 
davongetragen? Was für eine groteske Wahrnehmung! Der Schatten liegt 
auf den Herren, denen Kurras im Westen wie im Osten gedient hat. Die 
Revolte - in Berlin, Prag, Paris und anderswo - galt allen 
Schattenreichen. Ist das komplett vergessen?

Pressekontakt:

Neues Deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1715

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