Neues Deutschland: zum Gedenken an die Opfer rechtsextremistischen Terrors
Berlin (ots)
»Aus Worten können Taten werden«, sagte die Kanzlerin beim gestrigen Staatsakt. Mit Kurt Tucholsky möchte man ihr entgegnen: »Was nützen die besten Worte, wenn sie über die Wirklichkeit hinwegtäuschen?« Anders gesagt: Worte können auch sein wie rosa Schleifchen, mit denen man den Dreck verziert. Reden kostet obendrein nichts und fühlt sich diffus gut an. Auch eine Miene des Bedauerns ist rasch aufgesetzt, ein Bekenntnis zu Demokratie, Toleranz und Eiapopeia ist schnell abgeliefert, und eine Verurteilung »extremistischer« Gewalt, die wahlweise von links, rechts, oben oder unten kommt, jedenfalls von irgendwelchen Bösen von außerhalb, ist rasch heruntergeleiert. Mit großer Regelmäßigkeit ist man dann bestürzt, bewegt und betroffen oder empört, enttäuscht oder entschlossen, oder irgendetwas anderes in dieser Größenordnung. Stets sind es zuverlässig dieselben längst ranzig gewordenen Begriffe, die klingen, als habe man sie allesamt demselben Wort- und Satzbaukasten entnommen, der immer dann geöffnet wird, wenn die deutsche Trauer- und PR-Maschine angeworfen wird. Auf Taten hingegen wartet man: Bis heute gelten hier geborene Kinder von Migranten nicht von vornherein als deutsche Staatsangehörige. Ein Drittel der Deutschen ist der Ansicht, man solle »Ausländer nach Hause« schicken, wenn es auf dem Arbeitsmarkt schwierig wird. Und wer gegen Neonazis demonstriert, wie in Dresden, muss Angst haben, strafrechtlich verfolgt oder ausspioniert zu werden. Wohl auch künftig.
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