Neues Deutschland: Draghi will den Euro retten
Berlin (ots)
Mario Draghi will die »Bazooka« wieder auspacken. Am Donnerstag hat der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) in London angekündigt, alles daran zu setzen, um den Euro zu retten. Und das solle genug sein, fügte er selbstsicher hinzu. Doch ob Draghi der lang erwartete Befreiungsschlag gelingen wird oder ob er sich mit seiner Aussage vielmehr selbst unnötig in Bedrängnis gebracht hat, bleibt offen. In der Tat ist die EZB zurzeit die mächtigste Institution im Euroraum. In normalen Zeiten kann sie mit ihren geldpolitischen Entscheidungen, wie der Senkung oder Anhebung des Leitzinses, enorm die Wirtschaft beeinflussen. Das wissen auch die Märkte. Deswegen haben sie sofort nach Draghis Ankündigung mit Kurssprüngen reagiert. Doch jetzt muss er liefern. Und das ist das Problem. Denn was Draghi offenbar vorschwebt, ist der erneute Aufkauf von Staatsanleihen. Damit wird er versuchen wollen, die Zinsaufschläge für spanische und italienische Anleihen auf ein erträgliches Niveau zu senken. Aber Mario Draghi kann über eine solche Aktion nicht alleine entscheiden. Das muss im EZB-Rat abgestimmt werden. Und dort sitzt unter anderem der Merkel-Vertraute und Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann. Er hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen Staatsanleihenkäufe ausgesprochen. Weidmann teilt die alte deutsche Angst, dass damit indirekt Staaten finanziert würden und dies letzten Endes in eine Inflation führe. Denn die Lehre aus dem Hyperinflationsjahr 1923 in Deutschland ist immer noch: Steigt die Geldmenge, weil der Staat »Geld druckt«, steigen unweigerlich auch die Preise. Doch weder Draghi noch Weidmann werden wahrscheinlich Recht haben. Schon die letzten Anleihenaufkäufe waren nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Die Zinsaufschläge für die Anleihen der krisengeschüttelten Staaten sind immer nur kurzfristig gefallen. Denn wir erleben gerade etwas, was Wirtschaftswissenschaftler eine »Liquiditätsfalle« nennen. Die Lage ist so angespannt, dass das Geld, das die EZB an die Banken ausgibt, nicht in den Wirtschaftskreislauf gerät. Die Banken geben das Geld weder an die Realwirtschaft in Form von Krediten weiter, noch kaufen sie damit langfristig Anleihen von Krisenstaaten. Stattdessen horten sie lieber das Geld. Die Banken legen es in diesen Zeiten in »sicheren Häfen« an, etwa in deutsche Staatsanleihen, oder bringen das Geld gleich wieder direkt zur EZB zurück. Deswegen steigen auch nicht die Preise. Eher besteht zurzeit sogar die Gefahr, dass die Preise sinken und die Rezession damit verstärkt wird. Denn die Realwirtschaft in Europa steckt so tief in der Krise, dass selbst die EZB es nicht schafft, alleine Abhilfe zu schaffen. So lange rigide Sparmaßnahmen in den Krisenländern auf Kosten der breiten Bevölkerung durchgesetzt werden, werden sich die dortigen Wirtschaften nicht erholen. Wo die Menschen kein Geld zum Ausgeben haben, können eben keine Geschäfte gemacht werden. Und deswegen wird nicht investiert. So lange sich das nicht ändert, bleiben Ankündigungen wie die von Mario Draghi so etwas wie Aspirin für die Märkte. Sie können das Fieber zwar kurzfristig senken, die Krankheit heilen sie aber nicht.
Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1715
Original-Content von: nd.DerTag / nd.DieWoche, übermittelt durch news aktuell