Neues Deutschland: Zum 20. Jahrestag des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen
Berlin (ots)
Es ist sicher von Belang, wenn Bundespräsident Gauck und Ministerpräsident Sellering dem Gedenken an das Pogrom vor 20 Jahren in Rostock persönlich Gewicht verleihen, wenn die Öffentlichkeit in diesen Tagen die Botschaft verbreitete, dass brandschatzende Neonazis und applaudierende »Normalbürger« sich außerhalb der Gesellschaft begeben. Zugleich ist wenig Grund für Zuversicht, dass Gaucks Rede den Hass überdauert, den er als Brandbeschleuniger identifiziert. Dass aus kurzem Gedenken mehr erwächst als flüchtiges Denken. So begann die Katastrophe von Rostock-Lichtenhagen nicht mit der Verunsicherung sozial entwurzelter DDR-Bürger, wie Gauck sie zu Recht vermerkt. Oder mit der Zerstörungswut von Extremisten, wie in den Beschreibungen der Ereignisse vor 20 Jahren in sturer Blindheit gegenüber der zerklüfteten Wirklichkeit nachzulesen ist. Schon vorher war der Hass von neuer großdeutscher Außenpolitik auf dem Balkan händereibend geschürt worden. Zu den in der Folge Entwurzelten zählte ein großer Teil der Flüchtlinge von Lichtenhagen. Und die Katastrophe mündete in die Abschaffung des uneingeschränkten Asylrechts, in die Denunzierung von Menschen in Not als unberechtigt Flüchtige. Sie hat ihre Ausläufer in grundrechtswidrig kargen Sozialleistungen, in Mobilitäts- und Arbeitsverboten für Asylbewerber. Der von Gauck beklagte Hass wird sekundiert vom staatlichen Misstrauen gegenüber Initiativen und Vereinen, die schon lange zeigen, was Gauck fordert: Mut. Gegen Rassismus.
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