neues deutschland: Freude am Brei
Berlin (ots)
»Kommt die D-Mark, bleiben wir, Kommt sie nicht, gehn wir zu ihr.« Diese einfache Logik aus den letzten Tagen der DDR erklärt die Abwanderung der vor allem jungen, der vor allem qualifizierten Leute aus dem Osten in den Westen. Nur, dass es noch schlimmer kam, als damals gedacht. Die D-Mark kam, und die Leute gingen trotzdem. Weil in den neuen Bundesländern niedrigere Löhne gezahlt wurden als im Westen und man sogar darüber froh sein musste, wenn man immerhin Arbeit hatte. So ist es bis heute. Die sich verwachsenden Strukturen, gern als Einheitsbrei bespöttelt, machen in Ost und West unterschiedlich satt. Trotzdem freut sich die Bundesregierung, so wie bisher jede vor ihr, über die angebliche Nivellierung der materiellen Unterschiede - zum Glück verlangt das Grundgesetz dies nur für Regionen, nicht für Klassen. Zu den immer gleichen Formulierungen über blühende Landschaften, die man in erneuerten Straßennetzen und sanierten Innenstadtfassaden erblickt, kommt nun die Freude über eine angeblich gestoppte Abwanderung. Abgesehen von Misstrauen, weil Experten mancher Datendeutung widersprechen, ist Traurigkeit angebracht. Dass die Abwanderung nachlässt, heißt eher, dass sie sich vollendet. Indiz ist hier die Überalterung in Ostdeutschland. Die Leute altern ja nicht schneller - es gehen vor allem junge, und es bleiben vor allem alte. Ähnlich erklärt sich die sinkende Arbeitslosigkeit. Deren Quote liegt immer noch doppelt so hoch wie die im Westen. Nur die Zahl verfügbarer Arbeitskräfte sinkt.
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