neues deutschland: Pochen allein genügt nicht - zum Auftreten der Kanzlerin Merkel in der Türkei
Berlin (ots)
»Merkel pocht bei Treffen mit Erdogan auf Meinungsfreiheit«, titelte eine Agentur ihre Meldung über die Begegnung der Kanzlerin mit dem türkischen Präsidenten. Nun hat wohl kein Außenstehender gehört, wie vernehmlich das Pochen tatsächlich war, aber auf den Putz gehauen hat sie wohl nicht, auch nicht im übertragenen Sinne. Der Gastgeber, berühmt-berüchtigt für spontane cholerische Ausbrüche, darf da als verlässlicher Seismograph gelten. Nennenswerte Ausschläge werden da aber nicht gemeldet.
Nun war das Auftreten der deutschen Regierungsspitze keineswegs jämmerlicher als das des letzten US-Vizepräsidenten oder des NATO-Generalsekretärs Ende vorigen Jahres. Aber es ist unter dem Strich reichlich wenig, gemessen an den Forderungen der Öffentlichkeit in Deutschland und selbst an den ohnehin nicht ausufernden Erwartungen jener in der Türkei.
Die Zehntausenden seit Juli 2016 aus politischen Gründen Verhafteten hätten schon erwarten können, dass Merkels milde Mahnung, »Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung in der Türkei« einzuhalten, von Erdogan nicht unwidersprochen als »Aufruf zur Zusammenarbeit im Anti-Terror-Kampf« fehlinterpretiert wird. Warum fragte Merkel nicht nach den im Gefängnis sitzenden demokratisch gewählten Abgeordneten? Opposition muss sein, erklärte sie - eine Aussage, wolkig genug, dass sich Erdogan ihr gern anschloss. Er ist auch für Opposition, sofern er die sich selbst aussuchen kann.
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