neues deutschland: Protest gegen aufgeklärten Absolutismus
Berlin (ots)
"Die Bewegung der Gelbwesten ist vergleichbar mit den Massenprotesten in der DDR Ende Oktober 1989, als Zigtausende aufstanden und riefen: 'Wir sind das Volk!'", urteilt der renommierte französische Geschichtsprofessor Étienne Francois in einem Interview mit der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "neues deutschland" (Freitagausgabe). Im Gegensatz zum Mai 1968 in Paris, den er als Student miterlebte und eine "fröhliche Revolte" nennt, dominiere die Demonstrationen heute in Frankreich "große Sorge". Gemeinsam sei den seiner Meinung nach stark heterogenen Protesten basisdemokratische Herkunft und Intention. "Sie richten sich dagegen, dass der Präsident, die Regierung und die oberste Verwaltung alle Macht an sich gezogen haben. Die Proteste wenden sich gegen den aufgeklärten Absolutismus, den wir heute in Frankreich haben", sagt der Historiker, der unter anderem an der Pariser Sorbonne und an der FU Berlin lehrte.
Mit Besorgnis registriert Francois unter einigen Demonstranten fremdenfeindliche Töne. Der Gelbwestenbewegung mangele es zudem an konkreten Zielen und Vorschlägen. "Ein alternativ-politisches Projekt ist nur bei einer Minderheit zu finden", sagt der Träger des deutschen Bundesverdienstkreuzes und Ritter der französischen Ehrenlegion. Präsident Emmanuel Macron müsse das in seiner Fernsehansprache am vergangenen Dienstag abgegebene Versprechen neuer Formen des politischen und sozialen Dialogs rasch einlösen, "damit das Missverständnis zwischen den Regierenden 'oben' und den Regierten "unten' abgebaut werden kann".
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