Neues Deutschland: Parteitage von Linkspartei und WASG/Fusion
Berlin (ots)
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Von Jürgen Reents
Bodo Ramelow, Fusionsbeauftragter der Linkspartei, begründete den frühen Schluss seines Parteitages am ersten Abend so: Er habe den Parteiauftrag, alle Verspätungen der letzten Jahre wieder aufzuholen. Das ist beiden Partnern für ihren Abstimmungsmarathon übers ganze Wochenende gelungen. Dunkle Andeutungen im Vorfeld, es könne sein, dass man sogar bis tief in die Nacht des Sonntags hinein benötige (und die Montagspresse dann ganz schön alt ausgesehen hätte), erfüllten sich zum Glück nicht. Linkspartei und WASG haben ihre Verschmelzung beschlossen und geben die Gründungsdokumente nun ihren Mitgliedern zur Urabstimmung. Verläuft diese ähnlich reibungslos, wird die Bundesrepublik am 16. Juni dieses Jahres um zwei Parteien ärmer, aber um eine reicher sein. Und man kann es diesmal ohne Groll aufnehmen: Solcher Reichtum adelt, die Linke und die politische Landschaft insgesamt.
Jedoch bleibt es mit bereits eingetretenen Verspätungen so eine Sache. Durch allerlei Zwischenstopps auf freier Strecke, bei denen sich das Zugpersonal zuweilen heftig in die Haare geriet, ob zur Weiterfahrt erst der Schaden an der linken oder der an der rechten Bremsbacke zu beheben sei, wurden etliche Fahrgäste vergrault, potenzielle Kunden abgeschreckt. Es ist nicht ausgemacht, dass sie sofort von der Botschaft überzeugt sind, die Linke werde mit der Fähigkeit zu kraftvoller und zielbewusster Einigung nun genau so pünktlich sein wie mit der zum immer neu aufbrechenden Streit.
Die Liste der offenen Fragen ist noch lang. Die Urabstimmung wird sie nicht lösen, der Gründungsparteitag im Juni auch nicht. Aber danach wird die Linke sich mehr mit dem Präsentieren von Antworten als mit dem Sortieren ihrer Fragen beschäftigen müssen. Gefragt ist dann vor allem eines: Nennt uns die Bahnhöfe, an denen wir nicht beklaut, auf Abstellgleise geschoben oder in die Wüste geschickt werden. Zeigt uns den Fahrplan dorthin und garantiert uns, dass wir unterwegs nicht (wieder) verladen werden. Dann wird schon Kundschaft kommen.
Natürlich, das Bild vom Zugpersonal und den Kunden ist problematisch. Die Linke weiß: Kein Gott, kein Kaiser noch Tribun - nicht einmal ein Lokführer und Heizer sollen es sein. Wird, kann sie ihr Wissen auch praktisch beweisen, anti-patriarchal? Dann wäre hier ein Angebot, das es so in unserem Land noch nicht gegeben hat: Eine demokratisch-sozialistische Linke, die sich einmischt, die solidarisch mitmischen lässt und bei der Gerechtigkeit und Emanzipation spürbar mehr als Worte sind.
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