Medientage-Gipfe: This is Media NOW Bewährungsproben für Medien, Gesellschaft und Journalismus
München (ots)
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN sind 2020 zum ersten Mal mit einem Gipfel gestartet, der ausschließlich digital stattfand: Angesichts der Corona-Pandemie wurde der offizielle Auftakt der Online-Konferenz aus einem TV-Studio des Bayerischen Rundfunks gesendet. Von dort aus führte die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali durch ein Programm, das aus Beiträgen und Diskussionen im Studio bestand, aber auch aus Live-Schaltungen zu Expertinnen und Experten außerhalb Münchens. Getreu dem Kongress-Motto "This is Media NOW" gehörten außer der Corona-Krise auch aktuelle Themen wie die digitale Transformation oder die Glaubwürdigkeit von Journalismus und Medien zur Agenda.
Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder betonte in einem Live-Interview mit Dunja Hayali, die Medien seien zurzeit "sehr systemrelevant". Sollten die Werbeerlöse stark einbrechen, müsse über staatliche Unterstützung nachgedacht werden. Dabei sollten dann neue Programme "schneller umgesetzt werden", als dies oft in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Söder erwähnte Phänomene wie "Corona-Leugnung" oder "Corona-Skepsis" und warnte, solche Entwicklungen dürften nicht zugunsten "anderer Motive" ausgenutzt werden. Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Medien.Bayern GmbH, hatte zuvor in seinem Grußwort darauf verwiesen, die digitale Gesellschaft kämpfe "mehr denn je mit Fake News, Verschwörungstheorien und mit Hass im Netz". Vor allem der Einfluss und die Macht sozialer Online-Netzwerke auf die Meinungsbildung stelle die Gesellschaft vor Herausforderungen. Der neue Medienstaatsvertrag schaffe bessere Spielregeln für die Medienbranche, für Plattformanbieter und für Intermediäre, um Transparenz und Chancengleichheit zu sichern. Jedoch sei in puncto Medienvielfalt ein überarbeitetes Medienkonzentrationsrecht "überfällig", das außer den Fernsehmarkt auch die Relevanz aller klassischen Me-dien wie Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Internet einbeziehen müsse.
Wolfgang Blau, Visiting Fellow am Reuters Institute for the Study of Journalism, setzte sich in seiner Keynote vor allem mit einer aktuellen "journalistischen Bewährungsprobe" auseinander: Angesichts der zunehmenden Fragmentierung der Öffentlichkeit beginne sich auch die Idee einer öffentlichen Meinung aufzulösen, argumentierte Blau und nannte als Beispiel das polarisierte politische Meinungsklima in den USA oder in Großbritannien. Deshalb müsse sich Journalismus um einen "gesellschaftlichen Mindest-Zusammenhalt" bemühen, der eine Spaltung der Mediensphäre verhindern könne. So sei zu fragen, ob es noch verantwortbar sei, an journalistischen Formaten festzuhalten, deren Wirkung messbar nachlässt. In Bezug auf die Covid-19-Pandemie und deren gesellschaftlichen Folgen müsse geklärt werden, wie Journalismus Empathie und Mitgefühl vermitteln könne, "ohne sich anzubiedern oder selbst populistisch zu werden".
ZDF-Programmdirektor Dr. Norbert Himmler betonte in der anschließenden Podiumsdiskussion, zu der er aus Mainz zugeschaltet wurde, die Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme sei im Zuge der Corona-Krise "deutlich gestiegen". Darauf verwies auch Thomas Hinrichs. Der Programmdirektor Information des Bayerischen Rundfunks unterstrich das wachsende Interesse an Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deshalb müssten diese über möglichst alle relevanten Plattformen ihr Publikum erreichen können. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel aber, so waren sich Himmler und Hinrichs einig, gehe das nicht. Wolfgang Link, Vorstandsmitglied der ProSiebenSat.1 Media SE, zeigte sich davon überzeugt, jenseits der neuen digitalen Plattformen und non-linearer Angebote blieben starke lineare TV-Programme auch weiterhin wichtig. Dies gelte vor allem für den Informations- und Unterhaltungsbereich. Das Publikum verändere sein Nutzungs-verhalten, sagte Thomas Hinrichs, und der Bayerische Rundfunk stelle sich auf die neuen Publikumswünsche ein. ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler machte darauf aufmerksam, die deutsche TV-Branche habe sich zu lange auf US-Serien verlassen, die nun von der Streaming-Konkurrenz den Haushalten direkt angeboten werden. Deshalb bestehe in Sachen Content "Nach-holbedarf". ProSiebenSat.1-Vorstandsmitglied Wolfgang Link sprach in diesem Zusammenhang davon, er habe bei den Produzenten "riesige Kreativität" verspürt. Aus diesem Grund habe ProSie-benSat.1 etwa für kleine Produzenten einen Pitch-Day organisiert, dessen Folge "Development-Aufträge" seien.
Dass auch der Social-Media-Sektor vor einer Bewährungsprobe steht, wurde im Rahmen des digitalen Medientage-Gipfels bei Gesprächen mit Spitzenmanagerinnen von Facebook und YouTube deutlich. Angelika Gifford, Vice President bei Facebook für Zentraleuropa, räumte ein, es gebe beim weltweit größten sozialen Online-Netzwerk Probleme mit Hate Speech oder Desinformation: "Wir werden nie hundert Prozent sicher." Allerdings würden in diesem Jahr etwa 95 Prozent der Hassrede-Inhalte "proaktiv verhindert". Zu diesem Zweck seien Künstliche Intelligenz und etwa 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz. Cécile Frot-Coutaz, die bei YouTube in London die Verantwortung für das Geschäft in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika hat, berichtete per Video-Call, das Google-Tochterunternehmen habe im zweiten Quartal mehr als elf Millionen Videos entfernt, um Nutzerinnen und Nutzer vor Hass und Desinformation zu schützen. Das Unternehmen wisse um seine Verantwortung, bereichere trotz negativer Beispiele die Meinungsvielfalt und habe in Deutschland bereits für 25.000 Jobs gesorgt.
Zu denen, die mit digitalen Angeboten jenseits der klassischen Medien Geld verdienen, gehört auch Falco Punch. Der TikTok-Star mit fast zehn Millionen Followern produziert Videos und lebt von Werbeverträgen. "Ich beeinflusse Menschen mit meiner Reichweite", brachte der Influencer seine Tätigkeit im Video-Call mit Dunja Hayali auf den Punkt. Ebenfalls per Web-Conference-Tool zugeschaltet war Charles Bahr. Der Brand Partnerships Manager von TikTok berichtete, die aus der App Musical.ly hervorgegangene chinesische Plattform wachse kontinuierlich und habe europaweit inzwischen etwa 100 Millionen Nutzerinnen und Nutzer pro Monat. Auf die Frage, ob er sich angesichts des von den USA angedrohten TikTok-Verbots Sorgen mache, zeigte sich Charles Bahr optimistisch. In dieser Beziehung habe er keinerlei Angst.
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