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Krieg und Umverteilung - Experimentelle Studie zu Russland

Kriege bringen Leid und Zerstörung. Sie kosten überdies viel Geld. Wie steht die Bevölkerung eines kriegführenden Landes zu steigenden Ausgaben und staatlicher Umverteilungspolitik? Das haben die Politikwissenschaftler Dr. Philipp Chapkovski (Universität Duisburg-Essen) und Dr. Alexei Zakharov (Yale University) in einem Umfrageexperiment für Russland untersucht. Ihre Studie The Effect of War on Redistribution Preferences wurde im Journal of Public Economics veröffentlicht.

Die Vergangenheit zeigt, dass es in Kriegszeiten für eine Regierung einfacher ist, dauerhafte politische Änderungen durchzusetzen, etwa den Wohlfahrtstaat umzubauen. Das liegt u.a. an dem so genannten Rally-round-the-Flag-Effekt: In Krisensituationen tendieren die Bürger:innen dazu, ihre politische Führung zu unterstützen, und man stellt persönliche Interesse zugunsten des nationalen Zusammenhalts zurück.

Diesen Effekt hat Dr. Philipp Chapkovski, Forscher der Universität Duisburg-Essen (UDE), mit seinem Kollegen aus Yale für das autokratische Russland untersucht. Sie haben ein Umfrageexperiment mit knapp 4.000 Teilnehmenden gestartet und sie dabei durch subtile Hinweise auf den Ukraine-Krieg teilweise beeinflusst. Ziel war es herauszufinden, ob die Befragten so ihre Ansichten zu staatlichen Ausgaben und zu Maßnahmen gegen die Einkommensschere im Land ändern.

„Wir haben unsere Daten im Dezember 2022 in Russland online über die Crowdsourcing-Plattform Toloka erhoben. „Interessanterweise gehörten wir zu den letzten Forschern, die diese Art von politisch sensiblen Daten sammeln konnten, bevor Toloka seine Zensurregeln verschärfte und nun Umfrageinhalte im Zusammenhang mit Politik herausfiltert“, so Chapkovski.

Krieg, Vertrauen und soziale Ungleichheit

In dem zweiteiligen Umfrage-Experiment fragten die beiden Wissenschaftler unter anderem danach, ob man die Annexion der ukrainischen Gebiete unterstütze; ob man an den Sieg glaube; inwieweit der Westen für den Konflikt verantwortlich sei, ob man die militärischen Operationen verfolge. Weitere Fragen betrafen die Kosten des Konflikts, die Einberufung in die Armee, die Verwendung von Atomwaffen und die wirtschaftliche Situation. Ein anderer Frageblock umfasste soziale Themen wie Hilfen für die Armen, Wohnraum und Einkommensungleichheit und das Vertrauen in die Regierung: Werden die Steuergelder effizient ausgegeben, vertraut man Präsident Putin, den regionalen Gouverneuren und der Polizei?

Dass ein Teil der Teilnehmenden zunächst zum Krieg befragt wurde, machte sich in den Antworten bemerkbar. Bei den Kriegsbefürwortern zeigte sich der Rally-round-the-Flag-Effekt: Sie vertrauten der Regierung stärker und sagten „ja“ zu mehr staatlicher Umverteilung. Bei den Kriegsgegnern war es genau umgekehrt: Wurden sie z.B. an die potenziellen Kosten des Konflikts erinnert, unterstützten sie die sozialen Umverteilungsmaßnahmen weniger und sahen auch die staatlichen Organe kritischer.

„Als unser Experiment stattfand, hatte Russland nur wenige Tote zu beklagen, und die wirtschaftlichen Folgen des Krieges waren nicht spürbar“, gibt Philipp Chapkovski zu bedenken. „Dennoch deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass kostspielige Kriege die Meinungsverschiedenheiten über die Staatsausgaben vertiefen könnten. Das wird auch ein Thema für künftige Studien sein.“

Publikation:

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0047272724002202

Weitere Informationen:

Dr. Philipp Chapkovski, Empirische Politikwissenschaft, Tel. 0203/37 9-2245, filipp.chapkovskii@uni-due.de

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