Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zu Spionage/USA/Snowden
Regensburg (ots)
von Thomas Spang, MZ
Mit jeder neuen Enthüllung der Spähaktivitäten der "National Security Agency" gerät die US-Regierung weiter in die Defensive. Und verliert an Glaubwürdigkeit. Geradezu lustvoll fielen Mitarbeiter des Weißen Hauses und der Geheimdienste über die Behauptung Edward Snowdens her, ihm hätte in seiner damaligen Position eine persönliche Email-Adresse des Präsidenten gereicht, um dessen Kommunikation überwachen zu können. Das allein schon weise den früheren Vertragsarbeiter des NSA als geltungssüchtigen Spinner aus. Andere nannten ihn einen Lügner. Nachdem der britische "Guardian" Einzelheiten über die Kapazitäten des Überwachungs-Programms "X-KEYSCORE" publizierte, fragt sich die Öffentlichkeit in den USA einmal mehr, wer es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Dabei verhärtet sich der Verdacht, die Regierung enthalte den Bürgern wesentliche Informationen über die Spähaktivitäten und übertreibe bei den behaupteten Vorkehrungen zum Schutz der Privatsphäre. Die Amerikaner sind aus ihrem Tiefschlaf der ersten Wochen nach Beginn der Enthüllungen aufgewacht. Nirgendwo manifestiert sich der wachsende Unmut deutlicher als in den Umfragen. Zum ersten Mal seit dem 11. September sorgen sich die US-Bürger laut einer Erhebung des renommierten Meinungsforschungs-Instituts PEW nun mehr um ihre Freiheitsrechte als das sie Terroranschläge fürchten. 70 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Regierung die gesammelten Daten nicht nur für die nationale Sicherheit gebraucht. Auch die Einstellung zu Edward Snowden hat sich verändert. Während das Misstrauen gegenüber dem Staat wuchs, verdiente sich der von Russland aufgenommene Asyl-Bewerber von Tag zu Tag neues Ansehen. Nach einer aktuellen Erhebung der Demoskopen von Quinnipac sehen 55 Prozent der Amerikaner ihren Landsmann als Geheimnisaufdecker. Nur noch jeder Dritte hält ihn für einen Verräter. Die anfängliche Empörung schlug um in Respekt für einen jungen Mann, der den Blick freigab auf eine massive Architektur der Überwachung. Je mehr sichtbar wird, desto mehr sorgen sich die Amerikaner vor den möglichen Konsequenzen. Die Vorstellung, das Geheimdienstmitarbeiter nur einen Klick weit vom Zugriff auf den Inhalt der Kommunikation in Emails, Chats und Telefonaten entfernt sind, beängstigt auch hierzulande. Wie sehr sich der Wind gedreht hat, lässt sich an der PR-Offensive ablesen, mit der die Regierung versucht, Vertrauen zurückzugewinnen. Dass sie dabei Nebelkerzen zündet, wie bei der offiziellen Freigabe von Dokumenten, deren Inhalt schon seit Snowdens ersten Enthüllungen bekannt ist, macht die Sache nur schlimmer. Wie auch die öffentlichen Auftritte von NSA-Chef Keith Alexander die Gemüter eher erregen als sie zu beruhigen. Spätestens seit eine überparteiliche Rebellion im Repräsentantenhaus vergangene Woche fast den Geldhahn für die Vorratsdatenspeicherung bei der NSA abgedreht hatte, ist der Reformdruck mit Händen zu greifen. Selbst Hardliner, wie der Vater der Anti-Terrorgesetze Jim Sensenbrenner, fühlen sich durch die weite Interpretation des "Patriot Acts" verschaukelt. Dass die Gesetze benutzt werden, um Amerikaner zu beschnüffeln, war nicht in der Absicht des Autors. Änderungen in den USA bedeuten nicht ein Ende der Überwachung im Ausland. Genau dafür ist die NSA da, die mit X-KEYSCORE, PRISM und TEMPORA jeden ins Visier nehmen kann. Dagegen müssen sich die Europäer und deren Regierungen selber zur Wehr setzen. Immerhin dürfen sie dabei auf die Sympathien der amerikanischen Bürger setzen, die spät aber endlich aufgewacht sind.
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