Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Papst Franziskus: Welt im Blick von Julius Müller-Meiningen
Regensburg (ots)
Es ist ein Drahtseilakt. Wie kann man katholische Dogmen achten und dabei doch frischen Wind in die Kirche bringen, Gehör finden und die vergraulte Gläubige wieder für sich gewinnen? So lautet verkürzt das Programm, das aus vielen Äußerungen von Papst Franziskus dringt. Seit fünf Monaten ist der Papst im Amt. Mit dem nun erschienenen Interview stellt sich die Frage: Kann dem Papst die Quadratur des Kreises gelingen? Die Antwort lautet ja. In seinen oft revolutionär klingenden Äußerungen bricht der Papst nicht mit der katholischen Lehre. Seine berühmt gewordene Äußerung über gläubige Homosexuelle hat Franziskus noch einmal vertieft und festgestellt, dass die Barmherzigkeit Gottes keine Unterschiede mache. "Ich bin ein Sohn der Kirche", hält er fest. Damit bekennt er sich implizit, aber eben gerade nicht explizit auch zu strikten Positionen der Kirche wie etwa der Ablehnung der Homo-Ehe. Was Franziskus im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch mit Hilfe gelingt, ist, diese Trennlinie abzustumpfen. Der Papst will eine offene Kirche, die sich nicht zum moralischen Richter aufschwingt, als der sie von vielen wahrgenommen wird. Franziskus hat diesen versöhnlichen Weg gerade erst begonnen. Benedikt war die Versöhnung mit den Traditionalisten ein besonderes Anliegen. Franziskus hat die ganze Welt im Blick.
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