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Mittelbayerische Zeitung: Endspurt der Gehetzten
Dieser Tage entscheidet sich viel: wie Deutschland regiert wird, von wem und wofür Geld ausgegeben wird. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Es ist wie bei Marathonläufern, die über 40 Kilometer auf der Strecke getrödelt haben und nun, dennoch völlig außer Puste und geschafft, auf die Zielgerade einbiegen. Das Ziel ist zum Greifen nahe, doch bis zum Zielstrich müssen noch einmal die letzten Kräfte mobilisiert werden. Und noch ist gar nicht sicher, ob die schwarzen und roten Läufer überhaupt gemeinsam durchs Ziel gehen werden. Die letzten Koalitionsrunden werden zum Endspurt von Gehetzten. Es geht um viel: wie Deutschland regiert wird, von wem und wofür Geld ausgegeben wird. Gehetzt wird etwa der schwergewichtige SPD-Chef Sigmar Gabriel, der das Schicksal der großen Koalition - und das eigene politische gleich mit - an das Votum seiner Genossen geknüpft hat. Was sich anfangs als taktische Meisterleistung zur Niederhaltung der Wahlsieger von der Union ausnahm, setzt Gabriel nun dermaßen unter Zugzwang, dass ein völliges Scheitern nicht ausgeschlossen ist. Sagt die Partei-Basis Nein zum Koalitionsvertrag, dann könnte nicht nur der Niedersachse seinen Hut nehmen, sondern es bräche auch eine tiefe Krise der Sozialdemokratie aus. Und die Union müsste doch noch einen Anlauf für Schwarz-Grün wagen. Nach hessischem Vorbild. Oder es käme zu Neuwahlen. Doch vor einem erneuten Urnengang steht nicht nur das Wahlergebnis vom 22. September, das durchaus Regierungskoalitionen ermöglicht, sondern auch Bundespräsident Joachim Gauck. Der einstige Pfarrer und DDR-Bürgerrechtler hat bereits deutlich gemacht, dass er gar nicht daran denkt, den Weg zu Neuwahlen zu eröffnen. Anders als einst Horst Köhler, bei Gerhard Schröders kopfloser Flucht in Neuwahlen 2005. Sie müssen sich nun also zusammenraufen, die "großen Drei", Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer. Sie werden gehetzt vom Wähler, der mehrheitlich eigentlich eine große Koalition wollte - aber inzwischen gar nicht amüsiert zusieht, wie zäh und mühsam Union und Sozialdemokraten ein Regierungsprogramm des Klein-Klein zusammenstümpern. Alles, was die Unterhändler vier Wochen lang in zähen Runden auf Papier gebracht haben, muss auf den Tisch der Parteichefs. Erst hier fallen in diesen Stunden die Würfel in den wirklichen Knackpunkten der Koalition. Bisher wurde viel zu viel in eckigen Klammern versteckt. Naturgemäß geht es in den letzten entscheidenden Verhandlungsrunden auch schon mal zu wie auf einem Basar: Der eine möchte seinen Preis möglichst hochhalten, der andere möglichst drücken. Es geht dabei immer auch um Macht, Einfluss, den Vorteil fürs eigene politische Lager, den eigenen Regierungsposten. Und nicht zuletzt um die Ausgangsposition für die nächste Wahl, denn es gibt auch eine Zeit nach der ungeliebten großen Koalition. Das alles ist normal und nicht zu beanstanden. Allerdings dürfen die jetzigen Schlussrunden nicht in ein Geschacher zu Lasten der Steuerzahler ausarten. Kühle Vernunft, solide Berechenbarkeit und gegenseitiges Vertrauen sind die Grundpfeiler einer erfolgreichen Koalition. Merkel, Gabriel und Seehofer wissen das. Den Erfolg von Schwarz-Rot wollen alle drei. Also müssen sie der jeweils anderen Seite auch Erfolge gönnen. Und zwar solche, die das Land voranbringen, nicht nur die eigene Klientel oder die eigene Eitelkeit bedienen. Morgen dürfte fest stehen, ob der Endspurt in die groß-Koalition erfolgreich war - oder ob man doch noch gestrauchelt ist. Spannend.

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