Mittelbayerische Zeitung: Nach Triumphen muss CSU Demut lernen - In der großen Koalition ist die Seehofer-Partei nur dritter Sieger. Daran ist nichts zu beschönigen. Von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
In Bayern top, in Berlin nur dritter Sieger. Die Demut, die CSU-Chef Horst Seehofer seiner Partei nach der Rückeroberung der absoluten Mehrheit im Freistaat als stete Trockenübung prophylaktisch empfohlen hat, lehrt nun die Realität. Wer in München zum Abheben neigt, kann jederzeit durch Stippvisiten in Berlin kuriert werden. So endet das Jahr für die CSU trotz großer Triumphe bittersüß. Zwar bleibt es bei drei Ministern im Merkel-Kabinett. Doch einmal abgesehen vom neuen Verkehrsminister Alexander Dobrindt, verfügen sie über Ressorts mit überschaubarem Einfluss. Dieser Tage ergießt sich ein gerüttelt Maß an Spott über den bayerischen Riesen CSU, der in Berlin auf Normalmaß geschrumpft wird. Seehofer hat sich das mit seinem kraftstrotzenden Auftreten auch selbst eingehandelt. Doch auch im verdienten Spott kommt es zu schrägen Übertreibungen. Seehofer und seine Minister sind mitnichten über Nacht zu Merkels Teppichvorlegern mutiert. Die simple Wahrheit: Mehr Einfluss war in einer großen Koalition für die CSU nicht drin. Die SPD liegt nun mal anders als der frühere Koalitionspartner FDP bei 25,7 und nicht bei 14,6 Prozent und bringt als Morgengabe wichtige Stimmen im Bundesrat mit. Die CSU brachte bei der Bundestagswahl ins Unionsergebnis dagegen 7,4 Prozent ein. Man musste kein Mathematikkünstler sein, um vorab zu wissen, dass das nicht ohne Folgen bleiben kann. Der Bedeutungsverlust in Berlin lässt sich also ganz nüchtern erklären. Putzig mutet deswegen an, wie das Ergebnis von Seehofer nun künstlich überhöht wird. Das Entwicklungsministerium mutiert dabei zum zweiten Außenministerium mit Schlüsselfunktionen. Wirklich jetzt? Wo doch jeder weiß, dass selbst das "Außenministerium I" in den letzten Jahren an Glanz verloren hat, weil die wichtigsten internationalen Regierungsgeschäfte von Kanzlerin Angela Merkel am liebsten gleich selbst miterledigt werden. Es lässt sich nichts daran deuteln, dass die Ausbeute der CSU mager ist. Doch entscheidend ist, was die Partei daraus in den kommenden vier Jahren macht. Die Kampfformation steht jedenfalls. Dobrindt kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Er soll die Schlagkraft der Minister und Staatssekretäre bündeln und damit eine offene Flanke schließen. Im Vorgänger-Kabinett hatte sich dafür aus der CSU-Riege erkennbar niemand zuständig gefühlt. Seehofer spricht ganz offen über Dobrindts neue Stellenbeschreibung und verweist das mögliche Scheitern des Verkehrsministers ins Reich der Unmöglichkeiten. Der CSU-Chef bürdet seinem Statthalter in Berlin bei überschaubaren Bataillonen am Kabinettstisch damit vordergründig eine hohe Bringschuld auf. Es ist aber vor allem als Botschaft an CDU und SPD gedacht: Wer Dobrindt ausbremst, bekommt es im Koalitionsausschuss sofort mit Seehofer selbst zu tun. Dobrindt kleben aus seiner Zeit als Generalsekretär zwei Etiketten an: Das des Rabauken - und das des absoluten Seehofer-Getreuen. Er ist aber auch ein beharrlicher und zielorientierter Manager. Wenn es jemandem zuzutrauen ist, dass er ein europataugliches Konzept für eine Pkw-Maut vorlegt und durchboxt, dann ihm. Daran wird er von Seehofer auch gemessen werden. Der CSU-Chef möchte das Wahlversprechen, das er im Sommer bei jedem Auftritt verkündete, unbedingt einlösen. Dobrindts Vorgänger, Peter Ramsauer, flog auch deshalb aus dem Kabinett, weil er die Mautpläne mit so wenig Verve vorantrieb, dass fast schon von Arbeitsverweigerung zu sprechen war. Als Anfang Dezember publik wurde, dass Ramsauer noch immer keinen Plan hatte, war das Schicksal von "Zar Peter" besiegelt. Ramsauer steht in der Seehofer-CSU auf dem Abstellgleis. Mit Dobrindt aber wird ein potenzieller neuer Kronprinz geboren: Auch er, wie Markus Söder und Ilse Aigner, mit Mammutaufgaben befrachtet - aber auch mit der Chance, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen oder an die eigenen Grenzen zu stoßen.
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