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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Syrien: Das Chaos schlägt zurück von Martin Anton

Regensburg (ots)

Schuld sind die USA. Aus welchem Blickwinkel man es auch betrachtet, der seit Jahren andauernde Bürgerkrieg in Syrien, mit dem großen Auftritt des Islamischen Staats (IS), den Millionen Flüchtlingen, den Hunderttausenden Toten und einem völlig ungewissen Ausgang, geht auf das Konto der Amerikaner - sagen manche. Und tatsächlich: Da wäre zunächst einmal die Krisenpolitik des amtierenden US-Präsidenten Barack Obama, der eigentlich alles besser machen wollte: Schluss mit Guantanamo, Schluss mit dem bösen Ami, der sich überall einmischt. Diese Voraussetzung führte allerdings weniger zu einem entschlossenen Abzug aus dem Nahen Osten, als zu einer wackeligen Drohkulisse. Diese enttarnte der syrische Machthaber Baschar al-Assad bereits im Frühjahr 2013, als er mit dem Einsatz von Chemiewaffen gegen seine Landsleute die von Obama vorher gezogene rote Linie überschritt - und nichts passierte. Na ja, fast nichts - immerhin trat Syrien im Anschluss der internationalen Chemiewaffen-Konvention bei. Die UN-Resolution 2118 vom September 2013 ist eine der wenigen im syrischen Bürgerkrieg, die offenbar tatsächlich Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen hatten. Das Assad-Regime zerstörte zumindest seine deklarierten Chemiewaffen-Bestände - auch wenn das nicht heißt, dass Syrien heute Chemiewaffen-frei ist. Dass die Vereinten Nationen kaum noch Einfluss haben beziehungsweise ihre Resolutionen nicht durchsetzen können, könnte man auch den USA anlasten - genauso wie den Vetomächten Russland und China, die ihre Weltpolitik schon lange am Völkerbund vorbei betreiben und sich der Organisation nur bedienen, wenn es ihnen nutzt. Obamas Kurs hat also die Glaubwürdigkeit amerikanischer Drohungen erschüttert. Doch was hätte er auch machen sollen? Die Fehler begingen seine Vorgänger, die seit Jahrzehnten die Region mit ihrer Interessenspolitik, Geheimdienstaktionen, US-freundlichen Potentaten, Waffenlieferungen an wechselnde Bündnispartner und offenen Kriegen unter fadenscheinigen Begründungen destabilisiert haben. Und so stehen die USA nun, ihrer Glaubwürdigkeit und ihrem Einfluss in der Region beraubt, fassungslos vor dem Chaos, das sie hinterließen. Doch gibt es schließlich noch andere fremde Mächte, die im Nahen Osten mitspielen. Russland klammert sich an Assad, um den Einfluss in der Region nicht zu verlieren, Saudi-Arabiens Rolle in der Anti-Terror-Allianz ist bestenfalls als schwierig zu betiteln und die Europäische Union zerfleischt sich in einer nationalchauvinistischen Renaissance lieber selbst, als für die andere Seite des Mittelmeers ernsthafte Lösungsansätze zu entwerfen. Nun ist es natürlich absurd, den USA die alleinige Schuld für den Krieg in Syrien zu geben. Zumal das an der andauernden Katastrophe in Syrien nichts ändert. Die Frage nach dem militärischen Vorgehen in der Region wurde nicht klar beantwortet. Die USA fliegen Einsätze, Assad kontrolliert mit Hilfe des Irans etwa die Hälfte des syrischen Staatsgebiets und bekämpft syrische Oppositionelle sowie Kurden, aber alle kämpfen irgendwie gegen den IS. Eine erzwungene Allianz, die nicht von Dauer sein wird, sollte der IS tatsächlich einmal besiegt werden. Aus einer friedlichen Demonstration vor vier Jahren in Damaskus ist der schlimmste Konflikt dieses Jahrzehnts geworden und "die größte humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg". Millionen Flüchtlinge, zerbombte Städte und eine traumatisierte Generation junger Syrer werden die Welt noch Jahrzehnte beschäftigen.

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