Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Heinz Gläser zum DFB-Skandal
Regensburg (ots)
Beau Jeu. Schönes Spiel. So heißt er, der offizielle Ball der Europameisterschaft 2016, und er strahlt in den Farben des Gastgebers - blau, weiß und rot. Frankreich soll viele schöne Spiele sehen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Denn die Zahl der Partien beim Kontinentalturnier steigt. Der Europäische Fußball-Verband Uefa hat aus durchsichtigen finanziellen und sportpolitischen Gründen die Endrunde erstmals auf 24 Teilnehmer aufgeblasen. Zulasten der sportlichen Qualität übrigens, aber wen interessiert das schon? Ach ja, und natürlich verspricht "Beau Jeu" für einen deutschen Sportartikelgiganten ein schönes Geschäft zu werden, genauso wie der Verkauf der neuen Trikots der Nationalmannschaft. Präsentiert wurden die in schlichtem Retro-Look gehaltenen Hemden am Montagabend mit dem üblichen Bombast. Eltern in Deutschland wissen seither, in welches Stück Stoff sie eine hübsche Summe investieren dürfen, um ihre fußballverrückten Sprösslinge glücklich zu stimmen. Apropos glücklich: Wer in der zweiten Verkaufsphase der begehrten EM-Tickets für deutsche Spiele zum Zug kommen will, muss Mitglied des Fanclubs Nationalmannschaft sein. Für glühende Anhänger von Joachim Löws weltmeisterlicher Auswahl bedeutet dies eine Art Zwangsbeitritt. Business as usual also, und wenn in Frankreich erst der Ball rollt, wird lauter Jubel die Dissonanzen dieses trüben Herbsts übertönen. Rein zufällig fast zeitgleich mit der Vorstellung der EM-Trikots nahm der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes seinen Hut. Wolfgang Niersbach, der wenn schon nicht über anrüchige Machenschaften, so doch zumindest über ein völlig missratenes Krisenmanagement gestolperte DFB-Chef, soll die Interessen des deutschen Fußballs jedoch weiterhin an den zentralen Schaltstellen des Weltfußballs in den ebenfalls skandalumwitterten Verbänden Fifa und Uefa vertreten. Ein grotesk anmutendes Konstrukt. Der Fußball wähnt sich nicht zu Unrecht in gesellschaftlichen Sphären, die ihn unantastbar machen. Franz Beckenbauers bockbeiniges Verhalten in der Affäre um ein falsches Spiel bei der Vergabe der WM 2006 steht exemplarisch für diese Haltung. Immer neuen Enthüllungen zum Trotz beschwören Funktionäre das ewige Mantra ihres Sports: Die Wahrheit liegt auf dem Platz! Wäre es nicht höchste Zeit für ein paar Warnsignale? Die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten könnten solche aussenden. Der Bannstrahl von ARD und ZDF traf den Radsport, als dieser im Dopingsumpf versank, als die Leistungsmanipulation als strukturelles Problem dieser Branche entlarvt war. Wenn offenkundig ist, dass man sich im Fußball den Zuschlag für milliardenschwere Großereignisse über Gefälligkeiten und Korruption ergaunern kann, liegt ebenfalls ein strukturelles Problem vor. Dass die Öffentlich-Rechtlichen die ohnehin florierenden Geschäftsmodelle WM, EM, Champions League und Bundesliga mit Gebührengeldern alimentieren, lieferte immer schon Stoff für kritische Betrachtungen. Ein - zumindest temporärer - Rückzug nach dem Vorbild des Radsports wäre im Lichte der aktuellen Enthüllungen folgerichtig und hätte den Nebeneffekt, den bizarren Bieterwettstreit mit astronomischen Summen um TV-Übertragungsrechte zu entschärfen. Die Fans müssten trotzdem nicht in die Röhre schauen, da private Kanäle in die Bresche springen - siehe RTL im Fall der Qualifikationsspiele. Überfällig ist auch ein Signal des Sportartikelunternehmens Adidas, das bisher wolkig lediglich Reformen anmahnt. US-Großsponsoren haben im Zusammenhang mit der Fifa deutliche Worte gefunden. Solche - an die Adresse des DFB gerichtet - würden wir gerne aus Herzogenaurach hören. Der Fußball braucht - national wie international - dringend solche Signale. Im Interesse des schönen Spiels...
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