Es steht zu viel auf dem Spiel Die CDU-Führungskrise darf sich nicht zu einer Regierungskrise auswachsen.
Regensburg (ots)
Der Blick über den deutschen Tellerrand hinaus, etwa nach Italien oder Frankreich, zeigt, wie schnell scheinbar große konservative Volksparteien von der politischen Bühne gefegt werden können. Und dies vor allem dann, wenn sie personell und programmatisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind, wenn sie auf die immer neuen Herausforderungen keine überzeugenden Antworten haben. Die CDU Deutschlands ist mit dem Schlingerkurs, den Ungeschicklichkeiten und der nahezu völlig geschwundenen Durchsetzungskraft ihrer unglücklichen Noch-Vorsitzenden AKK in die tiefste Krise seit Jahrzehnten geschlittert. Doch es geht längst um weit mehr als um das Schicksal der Langzeit-Regierungspartei. Die CDU-Führungskrise darf sich nicht zu einer Regierungskrise auswachsen. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Deutschland befindet sich vor immensen Herausforderungen beim Klimaschutz, beim nachhaltigen Umbau der Wirtschaft, der Autoindustrie, der Energieversorgung, beim Schaffen von bezahlbaren Wohnungen. Obendrein erwartet die verunsicherte EU in der zweiten Jahreshälfte eine starke deutsche Ratspräsidentschaft, die Impulse verleiht. Instabilität, ungeklärte Verhältnisse, vorgezogene Neuwahlen und andere Schreckensszenarien wären dagegen nicht gut für Deutschland und für die EU gleichermaßen. Das sollte man in der CDU-Spitze beherzigen - und den Zeitplan der im Rückzug befindlichen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer schreddern, die allen Ernstes bis Ende des Jahres Zeit nehmen will für die wichtigen Personalentscheidungen, wer die CDU führen und wer Kanzlerkandidat der Union werden soll. Eine solche quälend lange Hängepartie ist weder der CDU selbst, noch dem Land und auch nicht den europäischen und anderen internationalen Partnern zumutbar. Und die Bürger im Land fragen sich ohnehin zu Recht, ob "die da oben" in Berlin nicht genug damit zu tun haben, vernünftig zu regieren. Ewige Personalquerelen ermüden die Betrachter. Eine gelähmte Regierung kann sich Deutschland schlicht nicht leisten. Dass die kleine Schwesterpartei aus Bayern jetzt Druck auf die CDU macht, ist richtig. Wenngleich auch sie vor einer klaren Positionierung zurückschreckt. Und Markus Söder, der sich schon einmal dem Ruf nach Berlin verweigerte, weist Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur so wortreich und häufig zurück, dass man sich fragt, ob er im tiefsten Herzen nicht vielleicht doch will. Nur der Zeitpunkt, dies öffentlich zu bekunden, ist noch nicht gegeben. Wer weiß, vielleicht wird dem CSU-Chef bei einem Frühstück in Nürnberg von einem CDU-Vorsitzenden doch die Kandidatur angetragen. Wie dies weiland Angela Merkel mit Edmund Stoiber Anfang 2002 in Wolfratshausen tat. Es gehört zu den seltsamen Entwicklungen dieser ereignisreichen Zeit, dass der Koalitionspartner SPD, der selbst monatelang seine Führungskrise zelebrierte, nun plötzlich eine Art Stabilitätsanker der Bundesregierung geworden ist. Dabei ist das per knappen Mitgliedervotum an die Spitze gekommene Führungsduo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken nicht gerade ein Ausbund an Strahlkraft und Führungsstärke. Doch die beiden unterstützen die GroKo zumindest darin, an Bord zu bleiben und unter Angela Merkel weiter zu regieren. Das verwundert einigermaßen, denn noch im innerparteilichen Wahlkampf haben beide mit dem Verlassen der ungeliebten Koalition geliebäugelt. Die neue Verantwortung verändert offenbar den Blickwinkel. Markige Forderungen auf Parteiveranstaltungen sind etwas anderes als verantwortungsvolles Regierungshandeln.
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