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Mittelbayerische Zeitung

Zeit, über die AfD zu reden
Von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Halten wir uns in Sachen AfD dieses Mal nicht damit auf, dass ausgerechnet Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner ihre Partei gerade als verlängerten Arm des Grundgesetzes bezeichnet hat. Eine Frau, die für ihre Nähe zu Ultra-Rechtsaußen Björn Höcke bekannt ist, ihn zu Showzwecken schon durch das Maximilianeum führte. Eine Politikerin, die wegen Corona von einer Diktatur schwurbelt, sich aber selbst nur durch Statuten an der Spitze ihrer Fraktion hält, die ihr mehrheitlich die Gefolgschaft verweigert. Ignorieren wir, dass beim Treffen der deutschen AfD-Fraktionsspitzen an diesem Wochenende im Landtag Journalisten unerwünscht und nur mit "ausdrücklicher Genehmigung" zugelassen waren, das Grundgesetz samt Pressefreiheit also eher als Wundertüte verstanden wird, aus der sich liebsame Paragrafen nach Gusto herausziehen lassen. Blicken wir für den Moment nicht auf die Serie von AfD-Eklats - etwa den unsäglichen Gasmaskenauftritt des Oberpfälzer Abgeordneten Stefan Löw. Schwamm drüber für den Augenblick auch über parteiinterne Streitigkeiten am laufenden Band, die gerne öffentlich zelebriert werden, um in der Folge zu beklagen, dass die AfD in der Öffentlichkeit schlecht dargestellt wird. Kommen wir also trotz allem zu dem, was zum Bedauern der AfD in der medialen Betrachtung zu kurz kommt: den Inhalten. Nein, nicht zu dem migrations- und ausländerfeindlichen Part, der sich durch viele Positionen webt. Konzentrieren wir uns auf den 20-Punkte-Plan zu Corona, der kürzlich verbreitet wurde und in einem gut 20-minütigen Youtube-Video etwas ausführlich erläutert wird. Vorneweg: Das Konzept ist dünn. Es setzt darauf, nur ältere Menschen und Risikogruppen zu schützen, ohne das in aller Konsequenz durchzuspielen und die Dimension der Betroffenen aufzuzeigen. Allein der Anteil der über 65-Jährigen umfasst in Bayern - um ein Beispiel zu nennen - rund 2,7 Millionen Bürger und damit einen Bevölkerungsanteil von über 20 Prozent. Als konkreteste Schutzmaßnahme nennt die AfD hier kostenlose FFP2-Masken, was angesichts der in der Partei vehement grassierenden Masken-Aversion ein unfreiwillig komisches Moment hat. Geschenkt. Ansonsten soll dem Virus in der breiten Gesellschaft weitgehend freier Lauf gelassen werden, alle Vorsicht fallengelassen und nur regelmäßig der neue Stand der Herdenimmunität ermittelt werden. Über eventuell weitergehende Maßnahmen will die AfD nachdenken, wenn die Intensivstationen voll sind. Also zu einem Zeitpunkt, an dem es nach Einschätzung zahlreicher Experten zu spät ist. Bei der dann parallel zwangsläufig sehr hohen Zahl Neuinfizierter in Deutschland wäre der nächste Schub an Krankenhaus-Patienten schon vorprogrammiert und nur noch nicht sichtbar, weil sich die Betroffenen erst im Anfangsstadium ihrer Krankheit befinden. Die AfD, die gerne vor Corona-Panik warnt, schlägt also als Alternative eine Politik vor, die echten Grund zur Sorge gibt. Die Teile des 20-Punkte-Plans, die des Nachdenkens wert sind, werden nicht weiter ausformuliert, obwohl sie Schwachpunkte der aktuellen Maßnahmen treffen. Das gilt etwa für die Öffnungszeiten der Gastronomie, die je nach Warnstufe auf bis zu 21 Uhr herunter geschraubt werden, ungeachtet der dort zumeist besonders guten Hygienekonzepte. Es gibt in der AfD einen Teil, der differenzierter unterwegs ist. Das Sagen hat er nicht. Ebner-Steiner und Co. sind jedenfalls nicht an Diskussionen in der Sache interessiert. Schräge Auftritte dienen nur einem Zweck: Sie liefern Videoschnipsel, um über soziale Netzwerk aufzuwiegeln und das politische "System" in Misskredit zu bringen. Ins Visier genommen wird nicht das Virus, sondern Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker, vor allem aber Menschen, die Corona überdrüssig sind. Noch funktioniert die simple Masche - leider viel zu gut. In Umfragen rangiert die AfD weit über Wert.

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