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Amerika bleibt verwundbar/20 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September ist die einstige Supermacht tief gespalten im Inneren und geschwächt nach außen. Von Thomas Spang

Regensburg (ots)

Zwanzig Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 besteht genügend Abstand, klarer zu sehen, wie dieser Tag die Welt verändert hat. Doch die Bestandsaufnahme fällt ernüchternd aus.Statt die beispiellose Einheit in den Tagen nach dem Angriff auf die Symbole der Supermacht zu nutzen, die Nation zusammenzubringen, droht die amerikanische Gesellschaft heute an inneren Spannungen zu zerreißen. Die Amerikaner können sich angesichts einer anderen Katastrophe nicht einmal mehr auf so grundlegende Dinge verständigen, wie eine Maske zu tragen oder sich impfen zu lassen. Einheimische Extremisten stürmten Anfang des Jahres den US-Kongress und stellen nach Einschätzung des FBI eine mindestens so große Gefahr dar wie die ideologischen Nachfahren Osama bin Ladens.Dass in Afghanistan kurz vor dem Jahrestag des 11. September dieselben Taliban-Fundamentalisten an die Macht zurückkehren, die den Terroristen der El-Kaida einst erlaubten, ungestört für ihren bewaffneten "Jihad" zu trainieren, lässt sich an bitterer Ironie kaum überbieten. George W. Bush führte den Westen in einen "Krieg gegen den Terrorismus" mit dem Ziel, Muster-Demokratien in der islamischen Welt zu schaffen, die so attraktiv sind, dass andere freiwillig folgen. Die Dominos fielen leider in die andere Richtung. Tief gespalten im Inneren und geschwächt nach außen beschäftigt sich die einstige Führungsmacht des Westens heute mehr mit sich selbst als dem Rest der Welt. Wer in den USA nach Gründen für diese Entwicklung fragt, stößt rund um den Jahrestag mehr auf Sprachlosigkeit denn Erklärungsversuche. Dahinter verbirgt sich das Unbehagen, ob es am Ende sein könnte, dass der aus Saudi-Arabien stammende Terrorfürst mindestens einen Teil seiner Ziele erreicht hat.Vermutlich wären die USA mit dem Verlust ihres Gefühls der Sicherheit durch den Terror Osama bin Ladens anders umgegangen, hätte Al Gore im Jahr 2000 den Sieg bei den knappsten Präsidentschaftswahlen der Geschichte davongetragen. Der aber vom obersten Gericht zum Sieger ausgerufene Bush erwies sich am Tag des 11. September selbst und in der Zeit danach als überfordert. Er verspielte die Einheit der Nation, als er unter vorgeschobenen Gründen in den Irak einmarschierte. Die mutmaßlichen Massenvernichtungswaffen waren so wenig existent, wie Süßigkeiten und Blumen auf die Besatzer niederregneten. Es flogen Schuhe. Bush und seine neokonservativen Einflüsterer verpulverten zwei Billionen Dollar an Steuergeldern zum Aufbau einer Musterdemokratie im Irak, derweil daheim die soziale und physische Infrastruktur sprichwörtlich zusammenbrach. Um sich nicht in Widersprüche zu verheddern, musste Bush nach der Invasion des Irak auch die Mission in Afghanistan verändern. Fortan flossen dreistellige Milliardenbeträge in das zum Scheitern verurteilte Projekt, eine von Stammesstrukturen geprägte Kultur in eine moderne Gesellschaft nach westlichem Vorbild zu verwandeln. Weder die Nationenbildung im Irak noch die in Afghanistan trugen zum erklärten Ziel bei, die Welt durch Demokratisierung sicherer vor Terrorismus zu machen. Im Gegenteil: Mobilisierte die Besetzung dieser Länder doch unerschöpfliche Reservoirs an Ressentiments und Extremismus. Vom Islamischen Staat im Mittleren Osten und Europa über Boko Haram und Al-Shabaab in Afrika bis hin zu Abu Sayyaf metastasierte das von Osama bin Laden inspirierte Terrornetz weltweit. Und bleibt bis heute eine Bedrohung für die Zivilgesellschaften.Trotz enormer Investitionen in die Sicherheit von Flughäfen und Infrastruktur, dem Aufbau eines Heimatschutz-Ministeriums, das mit dem Pentagon rivalisieren kann, und nie dagewesene Überwachungskapazitäten bleiben die USA verwundbar. Die Nation verpasste die Chance zusammenzukommen und sich im Angesicht der Katastrophe durch Rückbesinnung auf ihre Stärken zu erneuern. Zwanzig Jahre nach dem 11. September sind die ,Uneinigen Staaten' von Amerika die größte Bedrohung für sich selbst.

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