Verhaltener Jubel über Rentenplus/Nach der Corona-bedingten Nullrunde in diesem Jahr werden die Altersbezüge 2022 wieder ansteigen. Die Verluste durch die Inflation macht dies aber kaum wett.
Regensburg (ots)
Über die - einigermaßen unerwartete - gute Nachricht können sich die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner hierzulande freuen. Nach der Nullrunde bei den Altersbezügen in den alten Bundesländern in diesem, wird es im kommenden Jahr 5,2 Prozent mehr geben. Weil die Beitragseinnahmen wegen der Corona-bedingten Wirtschaftsflaute 2020 geschrumpft waren, traten die Bezüge der Ruheständler im Westen auf der Stelle. Im Osten, wo die nachholende Entwicklung an das westdeutsche System im Gange ist, gab es heuer zumindest ein kleines Plus von 0,72 Prozent.
Allerdings hat die derzeit galoppierende Inflation kräftig am realen Wert der Alterseinkommen geknabbert. In West wie Ost. Die Nullrunde in den alten Ländern war in Wirklichkeit mit einem herben Kaufkraftverlust der Altersbezüge verbunden. Vor diesem Hintergrund stellt sich kein großer Jubel über das jetzt angekündigte Rentenplus im nächsten Jahr ein. Auch wenn die Schlagzeilen über die kräftigste Rentenerhöhung seit 40 Jahren gut klingen. Betrachtet man die Begleitumstände, ist eher das Prädikat "nachholende Entwicklung" angebracht. Nach einem dürren Jahr 2021 wird nun zumindest der Abwärtstrend bei den Realeinkommen von Ruheständlern gestoppt, die gesetzliche Altersrente beziehen.
Zu Unrecht hat das Thema Rente im diesjährigen Wahlkampf keine große Rolle gespielt. Fast schien es so, als scheute man sich das heiße Eisen anzufassen. Das galt vor allem für die bisherigen Regierungspartner Union und SPD. Bei den beiden kleineren Partnern der - vermutlichen - Ampel-Koalition sah das etwas anders aus. Sie gaben sich reformfreudiger. In den Sondierungsgesprächen haben Grüne und vor allem Liberale Druck auf die SPD ausgeübt.
Und so gelangte in das Sondierungspapier eine sehr knappe, aber durchaus weitreichende Formulierung hinein: Zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Beitragssatz werde eine "teilweise Kapitaldeckung" der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt. Das ist für die eigentlich von großer Kontinuität geprägte Rentenpolitik - "Die Rente ist sicher", wie der verstorbene CDU-Sozialminister Norbert Blüm stets versicherte - fast eine Revolution.
Die letzte dieser Art war die inzwischen zu Recht heftig gescholtene private Riester-Rente vor rund 20 Jahren. Die nach dem damaligen Sozialminister Walter Riester benannte dritte Säule der Altersvorsorge geriet zu einem bürokratischen Ungetüm, für das der Staat obendrein Milliardenzuschüsse tätigen muss. Dabei sollte "Riester" eigentlich vor allem die Lücke zwischen gesetzlicher Rente und dem Rückgang an Rentenbeiträgen, Stichwort: Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsleben, schließen. Profitiert haben vor allem die Versicherungskonzerne, die mit allerhand Riester-Produkten den Markt übersäten.
In der künftigen Ampel-Koalition haben freilich nicht nur FDP und Grüne mit dem Einstieg in eine Aktien-gestützte Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung ihre Duftmarken gesetzt, sondern auch die SPD hat Planken eingezogen. Der mögliche nächste Bundeskanzler Olaf Scholz wurde im Wahlkampf nicht müde, drei Dinge zu versichern: die Stabilität des Rentenniveaus - derzeit 49,4 Prozent - werde 48 Prozent nicht unterschreiten. Der jetzige Beitragssatz von 18,6 Prozent bleibe ebenso stabil wie das gesetzlich geregelte Renteneintrittsalter, das schrittweise auf 67 Jahre ansteigt. Wie allerdings unter diesen strikten Vorgaben die Möglichkeit gefunden werden kann, die - eigentlich systemfremde - Finanzierung über den Aktienmarkt als vierte Säule der Rentenfinanzierung zu implementieren, bleibt das große Rätsel der künftigen Ampel.
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