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Grüne in der Zwickmühle
Die Partei wählt eine neue Führung und muss Wege finden, wie die Basis mit den Kompromissen der Ampel ausgesöhnt werden kann. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Dass Politik kein Wunschkonzert ist, sondern zumeist das zähe Aushandeln und mühevolle Umsetzen hart errungener Kompromisse, erfahren die Grünen seit Monaten und zuweilen äußerst schmerzvoll dazu. Nach 16 Jahren, der gesamten Merkel-Kanzlerschaft, in der Opposition dürfen sie nun endlich wieder, diesmal in einer Ampel-Regierung, mittun. Es hat sich erheblicher grüner Gestaltungs- und Veränderungsdruck aufgestaut.

Doch die Crux ist, dass die Grünen gewissermaßen in der Regierungs-Zwickmühle stecken. Einiges, aber längst nicht alles aus ihrer Programmatik kann in der Ampel-Koalition umgesetzt werden. Doch der Jubel über das Wahlergebnis vom September, die Genugtuung, nun wieder am Kabinettstisch zu sitzen und viele der schönen Visionen sind verflogen. Es macht sich die graue Tristesse des täglichen politischen Handwerks breit. Wenn die Grünen an diesem Wochenende zu ihrem Bundeskongress zusammenkommen, dann wählen sie nicht nur eine neue Parteispitze, sondern sie müssen auch Wege finden, wie die traditionell kritische und diskussionsfreudige Basis mit den Kompromissen und dem Regierungs-Handeln ausgesöhnt werden kann. Konflikte sind vorprogrammiert. Der - wahrscheinlichen - neuen Doppelspitze Ricarda Lang und Omid Nouripour fällt dabei die überaus schwierige Aufgabe zu, einerseits die Partei zusammenzuhalten und gleichzeitig die Verbindungen zu den zahlreichen Initiativen vom Klima- und Tierschutz bis zur Friedensbewegung aufrechtzuhalten. Andererseits jedoch müssen sie auch die Unterstützung für die Real-Politik der grünen Minister und Ministerinnen Habeck, Baerbock, Özdemir, Lemke oder Spiegel sichern. Die bisherigen Regierungswochen haben gezeigt, dass der hohe Anspruch der Öko- und Friedenspartei und die harte Wirklichkeit sich heftig stoßen können.

Wurden innerparteiliche Debatten zuvor oft nur mit mäßiger Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit begleitet, sind es jetzt selbst scheinbare Kleinigkeiten, die Aufsehen und Empörung auslösen können. Der mit viel Macht ausgestattete Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck steht vor der Herkulesaufgabe, die Industrie und Energiewirtschaft auf einen klimaverträglichen Pfad zu führen. Doch gleich am Anfang seiner Amtszeit verprellt er Häuslebauer und Bauwirtschaft gleichermaßen, weil das Förderprogramm der staatlichen Bank KfW ausgeschöpft ist. Dafür ist zwar in erster Linie Habecks CDU-Vorgänger Peter Altmaier verantwortlich. Doch dass der grüne Superminister nicht längst mit dem Kanzler und dem Finanzminister über Förder-Alternativen gesprochen und auf den Weg gebracht hat, ist ein krasses Versäumnis.

Die ersten Demos von Umweltschützern und Biobauern hatte Neu-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir vor seiner Tür. Den Aktivisten geht die Agrarwende nicht schnell und gründlich genug. Doch der Minister, der bislang mit Landwirtschaft nicht viel am Hut hatte und überraschend statt des bayerischen Parteilinken Anton Hofreiter ins Amt kam, kann nur um Geduld und Verständnis bitten. Vieles von dem, was gefordert wird, wird nicht in Berlin, sondern in Brüssel entschieden. Und die gemeinsame EU-Agrarpolitik ist bereits beschlossene Sache.

Nicht ohne innergrünen Widerspruch dürfte auch Außenministerin Annalena Baerbock regieren. Zwar sind die Grünen längst keine rein pazifistische Partei mehr und lehnen deutsche Soldaten im Ausland nicht mehr rundweg ab. Doch wie genau etwa die Ukraine im Konflikt mit Russland unterstützt werden soll - auch mit Waffen? - ist durchaus strittig. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob Hightech-Drohnen bewaffnet werden dürfen oder nicht. Es gibt zumindest eine Konstante bei den Grünen: Es wird harte Debatten um den Kurs der Partei geben.

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