Altbundespräsident Gauck weiterhin gegen AfD-Verbot, fordert aber "entschiedenen politischen Kampf gegen deren Vorstellungen"
Bonn (ots)
Bonn, 18. Januar - Altbundespräsident Joachim Gauck hat sich erneut gegen ein Verbot der AfD ausgesprochen und erklärt, dass es andere Möglichkeiten gebe, diese Partei und ihre Ansichten argumentativ zu stellen. Gleichwohl müssten alle Demokraten die AfD bekämpfen. "Es gibt juristische, aber auch politische Gründe, die uns sehr vorsichtig sein lassen sollten", erklärte Gauck im Fernsehsender phoenix zu den Bestrebungen, ein AfD-Verbot durchzusetzen. Eine liberale Demokratie sei nicht so schwach, als dass man nur dieses eine Mittel besitze, um sich zur Wehr zu setzen. "Auf der einen Seite geht es darum, diejenigen zu delegitimieren, die menschenfeindliche und ressentiment-gesättigte Politik machen." Auf der anderen Seite müssten die potentiellen Wähler der AfD gefragt werden, ob sie wirklich bereit seien, die Politik dieser Partei zu unterstützen.
Gauck ließ keinen Zweifel daran, dass die AfD auf den geschlossenen Widerstand aller Demokraten stoßen müsse. "Es ist unmöglich, dass irgendeine demokratische Partei mit dieser AfD koaliert. Deshalb brauchen wir eine entschiedene Abgrenzung und einen entschiedenen politischen Kampf gegen deren Vorstellungen", so der Altbundespräsident. Wähler der AfD sehnten sich nach einem "Verbleiben im Vertrauten" und fürchteten sich ein Stück weit vor Veränderung und den Herausforderungen einer Zeit, die durch Krisen und Kriege geprägt sei. "Deshalb würden wir in unserem Kampf wenig Erfolg haben, wenn wir sie alle insgesamt als Nazis bezeichnen würden." Die Sympathisanten der AfD müsse man "anders abholen" und ihre Ängste ernst nehmen.
Als unsäglich empfand Gauck ein in der vergangenen Woche bekannt gewordenes Treffen von Politikern und Akteuren der sogenannten Neuen Rechten, bei dem Pläne zur massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund debattiert worden waren. Er erwarte, dass die deutsche Zivilgesellschaft den Menschen mit Migrationshintergrund in vielfältiger Form zeige, dass sie willkommen seien und man ihnen Schutz gewähre. "Beides ist möglich: Ein Ja zu unseren Landsleuten, die mit uns zusammenarbeiten und den Wohlstand dieses Landes erwirtschaften, und gleichzeitig darüber nachzudenken, wie man illegale Migration begrenzen kann", war Gauck überzeugt.
Dass die AfD derzeit in Umfragen deutlich zulege, sah Gauck auch in der Schwäche der übrigen Parteien begründet. "Die Union muss deutlich erkennbare konservative Angebote machen", meinte der frühere Bundespräsident. Es gehe darum, ein wertkonservatives Profil erkennbar werden zu lassen. Die Bundesregierung werde ihrerseits dem Bedürfnis vieler Menschen nach Orientierung nicht gerecht. "Die Ampel mit ihrer Kommunikationsstrategie ist ein Teil des Problems", stand für Gauck fest. Zahlreiche Entscheidungen machten den Eindruck, als seien sie mit heißer Nadel gestrickt. "Ohne Klarheit und Offenheit ist die Vertrauensbasis aber auf Dauer gefährdet."
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