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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: KOMMENTAR Folgen der Bundestagswahl Der deutsche Olivenbaum THOMAS SEIM

Bielefeld (ots)

Es ist entschieden: Deutschland erhält eine neue
Regierung aus FDP, CDU und CSU. Erstmals seit 15 Jahren ist es einer 
so genannten bürgerlichen Koalition wieder gelungen, die Mehrheit der
Stimmen der deutschen Wähler auf sich zu vereinigen.
Bürgerliche Koalition - was bedeutet das eigentlich? Tatsächlich ist 
es doch wohl so, dass die Botschaften fast aller Parteien - derzeit 
noch mit einigen Einschränkungen bei der Linkspartei - sich auf die 
Grundwerte der bürgerlichen Aufklärung stützen: Freiheit und 
Fortschritt.
Die Differenzierung der politischen Lager kann sich mithin nicht in 
der Alternative "Bürgerlich-Anti-Bürgerlich" entwickeln. Die Fragen, 
an denen sich ihr aufklärerisches Gedankengut scheidet, sind eher 
die: Wie viel Freiheit? Wie viel Fortschritt? Für wen? Zu welchem 
Preis?
Der Freiheit von möglichst vielen Einkommen- und Unternehmensteuern 
wie sie Union und FDP jetzt anstreben steht die Steuerfreiheit von 
Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen der Arbeitnehmer gegenüber,
wie sie etwa SPD, Grüne und Linke vertreten.
Der Freiheit zur Nutzung der Atomenergie, wie sie Union und FDP auf 
ihre Fahnen schreiben werden, steht die Forderung nach Freiheit von 
atomarer Bedrohung durch unsichere Kernkraftwerke gegenüber, wie 
Rot-Rot-Grün formuliert.
Oder, etwas allgemeiner: Union und FDP werden künftig stärker auf die
Freiheit des Marktes setzen, SPD, Grüne und Linkspartei eher auf die 
Freiheit des Menschen von Arbeitslosigkeit, Armut, 
Bildungsbeschränkung. So lassen sich aus den unterschiedlichen 
Freiheitsbegriffen der beiden - bürgerlichen - Lager auch 
unterschiedliche Fortschrittskonzepte entwickeln. An dieser 
Weggabelung entscheiden sich Deutschlands künftiger Weg und die 
Frage, welche gesellschaftliche Mehrheit ihn beschreitet. Das so 
genannte linke bürgerliche Lager ist - noch - auf unterschiedlichen 
Lösungswegen unterwegs. Jedes für sich ist für die Macht zu schwach. 
Addiert aber kann sich daraus eine Perspektive ergeben.
Das wird die größte Herausforderung der politisch Handelnden in allen
drei Oppositionsparteien für die kommenden Jahre sein: sich zu öffnen
für ein neues politisches Projekt als - fortschrittlich-bürgerliche -
Alternative zu Schwarz-Gelb. Inhaltlich und personell. Die - bislang 
nur personale - Erneuerung der SPD ist da nur ein Anfang.
In der europäischen Nachkriegsgeschichte gibt es durchaus Vorbilder 
für einen Aufbruch. Bis zum Anfang dieses Jahrtausends und darüber 
hinaus hat zum Beispiel das politische Mitte/Links-Bündnis in Italien
völlig unerwartet und gegen die Medien des konservativen Frauenhelden
Berlusconi die Macht erobert. Das Wahl-Bündnis aus Linksparteien und 
Grünen gab sich das Symbol "Olivenbaum".
Die Olive - das könnte auch ein Weg für SPD, Grüne und Linke sein. 
Aussichtslos ist dieser Weg nicht: Der Swing zwischen einem deutschen
"Olivenbaum" und Schwarz-Gelb lag 2009 nicht höher als 1,4 Punkte. 
Das sind knapp 800.000 Wähler.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

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