Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Proteste im Schuldenland Portugal Armenhaus Europas RALPH SCHULZE, MADRID
Bielefeld (ots)
Einmal arm, immer arm. Wenigstens im Falle des Euro-Schuldenlandes Portugal scheint die Volksweisheit zu stimmen. Portugal war und ist das Armenhaus des westlichen Europas. Ein Land ohne industrielle Basis, mit dünnem sozialem Netz, aufgeblähtem Beamtenapparat und korruptem politischem Überbau. Auch 26 Jahre EU-Mitgliedschaft samt Milliardensubventionen haben daran leider wenig geändert. Portugal ist so gesehen keine europäische Erfolgsgeschichte. Bei Durchschnittseinkommen von kaum mehr als 1.000 Euro im Monat ist es kein Wunder, dass die Portugiesen gegen den harten Sparkurs ihrer konservativen Regierung und der Gläubiger-Troika rebellieren. Viele Menschen können nach Steuererhöhungen, Renten- oder Lohnkürzungen und tiefen Einschnitten im Bildungs- und Gesundheitsbereich den Gürtel einfach nicht noch enger schnallen. Ganz abgesehen von der wachsenden Not der Arbeitslosen. Die heftigen Proteste, die Angela Merkel bei ihrem Lissabon-Besuch zu spüren bekam, sind daher keine Überraschung. Auch wenn es sich die Protestbewegung zu leicht macht, Merkel und die Gläubiger-Troika zu Sündenböcken zu stempeln. Ohne den Euro-Rettungsschirm, dessen größter Geldgeber Deutschland ist, wäre Portugal längst pleite. Und dass die Kreditgeber ihre Milliardenhilfen an Sparauflagen knüpfen, ist nachvollziehbar. Doch die EU muss jetzt endlich mit dem Versprechen Ernst machen, mit einem Wachstumspakt die absterbende Wirtschaft der Krisenländer anzuschieben. Denn allein mit der Spar- und Steueraxt entstehen weder Jobs noch Wachstum. Auch Spielraum für Investitionen muss geschaffen werden. Wenn die Portugiesen nicht bald Licht am Ende des Tunnels sehen, könnte auch in Lissabon, ähnlich wie in Athen, eine Radikalisierung der Straße die Zukunft erschweren.
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