Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Mollath-Urteil Ohrfeige für die Strafjustiz Ralf Müller, München
Bielefeld (ots)
Es ist vollbracht: Bayerns Strafjustiz hat sich korrigiert und Gustl Mollath für seine siebeneinhalb Jahre in der geschlossenen Anstalt Entschädigung zugesprochen. Das sind zwar nur 25 Euro pro Tag, aber wichtig ist das damit verbundene Eingeständnis: Dem Mann ist Unrecht getan worden. Dass es so weit gekommen ist, ist nicht das Verdienst einer zur Selbstkontrolle fähigen Justiz. Ohne die öffentliche Diskussion hätte sich die frühere Justizministerin Beate Merk (CSU) niemals dazu bereitgefunden, die Staatsanwaltschaft zu einem Wiederaufnahmeverfahren anzuweisen. Ohne die öffentliche Empörung säße Mollath wahrscheinlich immer noch zwangseingewiesen im Bezirkskrankenhaus Bayreuth. Bis zuletzt - das sollte nicht vergessen werden - hat sich die Justiz dagegen gewehrt, das Mollath-Verfahren wiederaufzurollen. Das neue Urteil ist eine Ohrfeige für die vorurteilsbehafteten Erstleistungen der Nürnberger Strafjustiz, aber auch für die Psychiatrie. Mollath sei nicht geisteskrank, wurde jetzt klar festgehalten. Da stellt sich die Frage nach der persönlichen Verantwortung derer, welche seinerzeit die Expertise über den angeblich gemeingefährlichen Geisteskranken lieferten. Diese Frage dürfte freilich unbeantwortet bleiben. Ein Held ist Gustl Mollath deswegen aber nicht. Das Gericht ging davon aus, dass der Nürnberger in mindestens einem Fall gegenüber seiner Frau tätlich wurde. Einen Freispruch erster Klasse erhielt er daher nicht. Im Prozess hatte sich Mollath als schwieriger Rechthaber mit einem festgefügten Verschwörungsszenario präsentiert. Doch das ist natürlich kein Grund, ihn einzusperren. Jeder Mensch hat das Recht auf Exzentrik und fixe Ideen, solange andere davon nicht beeinträchtigt werden. Urteile sollen auch präventive Wirkung entfalten. Das gilt eigentlich für Straftäter, in diesem Fall aber für die Strafjustiz und die Psychiatrie. Man wird in Zukunft etwas genauer hinschauen, wenn Menschen im Ruckzuckverfahren in der Forensik weggesperrt und dort jahrelang verwahrt werden.
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