"Europa muss grünes Wachstum stärken" - DBV-Präsident Sonnleitner zu den GAP-Reformvorschlägen der EU-Kommission
Berlin (ots)
(DBV) " Die Ziele von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos für eine Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik von 2014 bis 2020 sind richtig. Mit seinen vorgeschlagenen Maßnahmen werden sie aber nicht zu erreichen sein. Auch den Verbrauchern nehme sie die Sicherheit bei der Versorgung mit heimischen Lebensmitteln". Dies erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, in einer ersten Stellungnahme nachdem der EU-Agrarkommissar heute seine Vorschläge veröffentlicht hat. " Die deutschen Bauern sind bei der Erzeugung von Lebensmitteln, Bioenergie und nachwachsenden Rohstoffen den Prinzipien einer nachhaltigen, umweltschonenden und tierschutzgerechten Wirtschaftsweise verpflichtet. Seit der EU-Agrarreform von 2003 haben die Bauern eine "gegrünte" Agrarpolitik voll umgesetzt", betonte Sonnleitner. Darin gebe es keinen Widerspruch mit der EU-Kommission. Doch angesichts der weltweit steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln, des zunehmenden Bedarfs an Bioenergie - auch angesichts der in Deutschland beschlossenen Energiewende - und des Verbrauchs an nachwachsenden Rohstoffen seien Ciolos Vorschläge zur Flächenstilllegung nicht mehr zeitgemäß. Sie gefährdeten den eingeschlagenen Weg einer wettbewerbsfähigen, ökologischen und sozialen Landwirtschaft, die in Deutschland Rückgrat einer Branche mit 5 Millionen Erwerbstätigen sei. "Deutschland und Europa müssen grünes Wachstum stärken", forderte Sonnleitner. "Deshalb unterstützen wir die Stärkung der Agrarwirtschaft, die Einrichtung eines Krisenfonds und die Junglandwirteförderung." Gerade heute in schwieriger politischer und wirtschaftlicher Lage sei für die EU die gemeinsame Agrarpolitik stabiles Element, dass nicht geschwächt werden dürfe.
Der DBV nimmt in einer ersten Stellungnahme zu den Detailvorschlägen von Agrarkommissar Ciolos wie folgt Stellung:
1. Europa braucht ein nachhaltiges Wachstum in der Nahrungsmittelerzeugung, bei Nachwachsenden Rohstoffen und bei der Bioenergie. Dies ist sowohl wegen der Ernährungssicherung bei einer weltweit steigenden Nahrungsmittelnachfrage als auch als Beitrag zum Umstieg auf Erneuerbare Energien notwendig. Die Land- und Agrarwirtschaft hat nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 durch eine gute Nutzung ihrer natürlichen Produktionspotentiale einen wesentlichen Beitrag zum Aufschwung geleistet. Das ist grünes Wachstum. Leider wird die wirtschaftliche Bedeutung der Agrarwirtschaft von der EU-Kommission in ihren Vorschlägen für die Gemeinsame Agrarpolitik 2014 bis 2020 nicht annähernd gewürdigt. Der Deutsche Bauernverband warnt, dass mit dem positiv besetzten Begriff eines "Greening" der GAP ein falscher Weg der Extensivierung, ja teilweise sogar erzwungener Stilllegung produktiver landwirtschaftlicher Flächen eingeschlagen wird.
2. Eine politisch geförderte Stilllegung von fünf bis sechs Millionen Hektar Ackerflächen in der EU (bzw. 600.000 Hektar in Deutschland) ist nicht nur ökonomischer Unsinn, sondern auch ökologisch ohne Ziel. Der dadurch ausgelöste Verlust von etwa 30 Millionen Tonnen Getreide verschärft die "Teller oder Tank"-Debatte, löst einen zusätzlichen Importsog aus, verschenkt wirtschaftliche Leistungskraft im ländlichen Raum und sichert keineswegs die Ziele in der Biodiversität. Der DBV unterstützt deswegen nachdrücklich die Agrarumweltprogramme in der zweiten Säule und fordert die Wiedereinführung einer Anreizkomponente.
3. Für den Deutschen Bauernverband ist die Einführung einer pauschalen "Greening-Zahlung" von 30 Prozent der heutigen Flächenzahlung nicht akzeptabel, wenn eine gleichwertige Vereinfachung bei Cross Compliance unterbleibt. Die EU-Kommission schlägt aber das genaue Gegenteil vor, nämlich eine Ausweitung bürokratischer Vorgaben bei Cross Compliance und beim Greening eine starre und bürokratische Vorgaben zur Fruchtartenvielfalt und zur Stilllegung. Der DBV fordert stattdessen flexible Wahlmöglichkeiten für den Landwirt. Bei Cross Compliance muss eine deutliche Entschlackung erfolgen. Ziel der EU-Agrarreform sollte es vorrangig sein, den nunmehr für 2019 zugesagten Übergang zu unbürokratischen Flächenprämien in allen EU-Ländern tatsächlich umzusetzen.
4. Der Versuch, den "aktiven Landwirt" über Umsatzquoten zu definieren, ist viel zu bürokratisch und deswegen zum Scheitern verurteilt. Das Ziel ist grundsätzlich richtig, es muss aber an der aktiven Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen angesetzt werden.
5. Abgelehnt wird der erneute Versuch, den Direktausgleich unter sozialem Blickwinkel nach der Betriebsgröße zu staffeln (Ober- und Untergrenzen). Dieser Vorschlag steht im Widerspruch zum Konzept einer Flächenprämie, führt zu mehr Bürokratie und entsprechenden Verzerrungen zwischen den Landwirten in Europa.
6. Der Deutsche Bauernverband tritt für eine möglichst weitgehende Entkopplung des Direktausgleichs zur Sicherung wettbewerbsneutraler Marktverhältnisse in Europa ein.
7. Der Deutsche Bauernverband lehnt eine nicht nachvollziehbare Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete nach dem System der 8 biophysikalischen Kriterien ab. Der DBV fordert eine sachgerechte Abgrenzung der benachteiligten Gebiete auf Basis des bewährten Indexsystems (LVZ oder EMZ), ergänzt um Gebiete mit einem hohen Dauergrünlandanteil.
8. Der Deutsche Bauernverband erinnert daran, dass sowohl die Zuckermarktordnung wie die Weinmarktordnung erst vor kurzem und grundlegend reformiert worden sind. Deshalb plädiert er für eine Fortschreibung der jetzigen Marktregeln bis 2020.
9. Die Ausgestaltung der GAP 2014 bis 2020 hängt entscheidend vom Finanzrahmen für den EU-Haushalt insgesamt und speziell für den Agrarhaushalt ab. Da hierüber voraussichtlich erst Ende 2012 entschieden wird, kann auch über Gemeinsame Agrarpolitik erst anschließend entschieden werden. Bis dahin gilt es, die Grundprinzipien wie die Details der Gemeinsamen Agrarpolitik zwischen EU-Parlament, Agrarrat und EU-Kommission sorgfältig zu beraten. Der Deutsche Bauernverband wird sich mit detaillierten Stellungnahmen zu den einzelnen Verordnungen einbringen.
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