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Deutscher Bauernverband (DBV)

Einkommenseinbußen und Re-Nationalisierung der Agrarpolitik drohen
Harte Kritik am Verhandlungsverlauf von Fischler durch Bauernpräsident Sonnleitner

Berlin (ots)

Mit scharfen Worten hat der Präsident des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, vor der
Bundespressekonferenz in Berlin den Verhandlungsverlauf über eine
Reform der EU-Agrar-Politik in Luxemburg kritisiert. Die Vertagung
der Verhandlungen zum dritten Mal und der Widerstand von neun
EU-Ländern sei im Wesentlichen auf die fehlende Kompromissfähigkeit
von EU-Agrarkommissar Fischler zurückzuführen, der seine
ursprünglichen Vorschläge offenbar mit kleinen Abstrichen durchboxen
wolle. Als schlimm bewerte es Sonnleitner, dass Fischler die
Beschlüsse des Europäischen Parlaments mit seinen demokratisch
gewählten Volksvertretern überhaupt nicht berücksichtigt habe, auf
deren Basis längst ein Beschluss der Agrarminister möglich gewesen
wäre.
"Für die deutschen Bauern sind die derzeit vorliegenden
Kommissionsvorschläge kein Zukunftsmodell", stellte der
Bauernpräsident fest. Wenn diese Vorschläge realisiert würden, hätte
dies Einkommenseinbußen in Milliardenhöhe, ein Zementieren der
augenblicklichen Strukturen und fehlende Perspektiven gerade für die
jungen Landwirte zur Folge. Der derzeitige Verhandlungsstand bedeute
keine politische Langzeitperspektive für eine nachhaltige
Landwirtschaft, die nach Worten des Agrarkommissars das Ziel der
Reform sei. "Was derzeit auf dem Verhandlungstisch liegt, würde einer
Re-Nationalisierung der EU-Agrarpolitik Tür und Tor öffnen",
analysierte Sonnleitner.
Zum zentralen Streitpunkt des Agrarrates, der Entkopplung, habe
der DBV ein klares und pragmatisches Konzept auf der Basis einer
sektoralen Entkopplung, also einer Unterscheidung zwischen Ackerbau,
Rinderhaltung und Milcherzeugung, erarbeitet. Nach derzeitigem
Verhandlungsstand mit einer vertikalen Entkopplung würde dagegen auf
die Landwirtschaft "Bürokratie pur" zukommen. "Mit dem Fischler-
Vorschlag zur Teilentkopplung droht ein bürokratischer Super-Gau für
unsere kleinbäuerlichen und mittelständischen Betriebe", betonte
Sonnleitner. Zudem würde kein Landwirt in der EU erkennen, mit
welchen Direktzahlungen er noch rechnen könne. Die Mitgliedstaaten
könnten den einzelnen Bauern praktisch ohne Begrenzung alle jetzigen
Direktzahlungen entziehen und sie völlig neu verteilen, ohne
Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Betriebe. Ein solches
System lehne der Bauernverband strikt ab.
Durch die so genannte Modulation und Degression werde die
Agrarpolitik für die Landwirte völlig unberechenbar. So sollten
Direktzahlungen ab 2007 zur Deckung aktueller Lücken im EU-
Agrarhaushalt herangezogen werden. Damit könne kein Landwirt mehr
kalkulieren, wie hoch die Ausgleichszahlungen für seinen Betrieb sein
werden. Außerdem bedeuteten die Vorschläge für eine 5- prozentige
Kürzung der Direktzahlungen (Modulation), dass den deutschen Bauern
faktisch zweieinhalb Prozent ihres Einkommens verloren gehen.
Sonnleitner machte auf der Pressekonferenz nachdrücklich auf die
schwierige existenzbedrohende Lage der Milcherzeuger aufmerksam. Die
125.000 Milchbauern in Deutschland mit einem Durchschnittseinkommen
von 19.000 Euro und sinkenden Einkommensperspektiven im laufenden
Jahr könnten die von Fischler vorgeschlagenen Milchpreissenkungen und
Milchquotenerhöhungen nicht mehr verkraften. Eine Senkung der
Interventionspreise für Butter um 28 Prozent bzw. für
Magermilchpulver in Höhe von 15 Prozent sei deshalb nicht
zustimmungsfähig. Diese Preissenkungen würden für einen
durchschnittlichen Milchviehbetrieb in Deutschland mit ca. 30 Kühen
einen Einkommensverlust von jährlich rund 10.000 Euro bedeuten.
Dagegen würden die vorgeschlagenen Ausgleichszahlungen würden die
Verluste nur zur Hälfte kompensieren. Die vorgeschlagene zusätzliche
Aufstockung der Milchquoten um 1,5 Prozent und die zusätzlichen
Mengen für einige Länder in Südeuropa lehnt der DBV kategorisch ab,
da dann wieder die Milchseen der 80iger Jahre drohten. Eine solche
Politik gefährde nicht nur Tausende bäuerliche Existenzen inklusive
der vor- und nachgelagerten Bereiche, sondern sei gegen die Erhaltung
der Kulturlandschaft, insbesondere der Grünlandstandorte
ausgerichtet.
Es sei fatal, dass Agrarrat und EU-Kommission den Beschluss des
Europaparlamentes ignorierten, welches die dramatischen Einschnitte
in der Milchmarktpolitik abgelehnt habe. Auch Ministerin Künast setze
sich über den Beschluss ihrer eigenen grünen Fraktion hinweg, auf
weitere Preissenkung im Milchbereich wie auf eine Erhöhung der
Milchquoten zu verzichten. Wer etwas für die Milcherzeuger tun wolle,
so Sonnleitner, müsse sich über eine Erhöhung des Milchpreises bzw.
eine Senkung der Milchquote einsetzen.
Agrarkommissar Franz Fischler wie Ministerin Künast hätten in den
vergangenen Jahren immer wieder betont, Qualität müsse auch bei
Nahrungsmitteln ihren Preis haben. Ohne Not werde jetzt durch die
Reformvorschläge zur Gemeinsamen Agrarpolitik zusätzlicher Preisdruck
auf den Märkten für Milch, aber auch Getreide ausgelöst. Dies sei ein
völlig falsches Signal sowohl für die Verbraucher als auch für die
nachhaltig produzierenden Bauern.
Mit den derzeitigen Vorschlägen werde auch der
Verhandlungsspielraum der EU bei der anstehenden WTO-Runde ohne Not
verschenkt, was ein völlig falsches Signal zum falschen Zeitpunkt an
Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland bedeute, die den
Freihandel über den Natur- und Tierschutz stellen. Die EU habe in den
Verhandlungen erhebliche Zugeständnisse gemacht, diese Länder jedoch
bisher noch keine.

Pressekontakt:

Deutscher Bauernverband
Dr. Michael Lohse
Pressesprecher
tel.: 030 / 319 04 240
e-mail: m.lohse@bauernverband.de

Original-Content von: Deutscher Bauernverband (DBV), übermittelt durch news aktuell

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