Hecken über Kassen-Fusionspläne: "Viele ziehen die Reißleine"
Frankfurt/Berlin (ots)
- KKH: "Enge Verflechtung aus PKV und GKV ist Modell der Zukunft" - DAK: Profilstärke als Überlebensstrategie
EUROFORUM-Tagung "Die Zukunft der Krankenkassen" am 16. und 17. Juni 2009 in Berlin, Novotel Berlin Mitte
Frankfurt am Main/Berlin, 31. März 2009. Der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Josef Hecken, erwartet in den nächsten Monaten keine gravierenden Veränderungen in der Krankenkassenlandschaft. Zwar werde die Zahl der Kassen durch weitere Fusionen abnehmen. Aber: "Ich weiß von vielen Vorhaben, bei denen aus den unterschiedlichsten Gründen kurz vor der Hochzeit die Reißleine gezogen wurde", so Hecken gegenüber dem Konferenzveranstalter EUROFORUM. Auf der EUROFORUM-Tagung "Die Zukunft der Krankenkassen" (16. und 17. Juni 2009 in Berlin) schildert er den Stand der Umsetzung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) und legt erste Zahlen vor. "Die bisherigen Erfahrungen mit dem Morbi-RSA sind insgesamt sehr positiv", sagte er vorab. "Gerade die Versorgerkassen mit vielen kranken Versicherten erhalten deutlich mehr Geld zur Versorgung ihrer Versicherten." Auch die Planungssicherheit der Kassen habe sich deutlich erhöht: "Ein großer Vorteil für die Kassen ist, dass das Einnahmerisiko auf den Gesundheitsfonds übergegangen ist. Mindereinnahmen des Fonds infolge der konjunkturellen Entwicklung werden durch Bundesdarlehen ausgeglichen. Im Konjunkturpaket II ist geregelt, dass diese erst im Jahr 2011 zurückgezahlt werden müssen."
Auf der EUROFORUM-Tagung zeigen Vertreter der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie sich im neuen Wettbewerb aufstellen werden. Zu den weiteren Referenten gehören unter anderem Dr. Josef Beutelmann (Barmenia), Dr. Axel Munte (Kassenärztliche Vereinigung Bayern), Dr. Helmut Platzer (AOK Bayern), Rudolf Hauke (Kaufmännische Krankenkasse, KKH) und Dr. Johannes Vöcking (Barmer Ersatzkasse). Das Programm ist abrufbar unter: www.euroforum.de/ots-zdk09
Aus Wettbewerbern werden Partner: Beispiel KKH Allianz
Zum 1. April schließt sich die KKH mit der Betriebskrankenkasse des Versicherungsunternehmens Allianz zusammen. "Damit reagieren wir auf den sich verschärfenden Wettbewerb und die aktuellen Herausforderungen durch den Gesundheitsfonds", sagte KKH-Vorstandsmitglied Rudolf Hauke gegenüber EUROFORUM. Er sieht sich gut aufgestellt: "Der Erfolg einer Krankenkasse wird zunehmend davon abhängen, wie gut sie mit gezielten Angeboten und überzeugendem Service die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden erfüllt." Die Versicherten beider Kassen profitieren laut Hauke gleich mehrfach von dem Zusammenschluss: Zum einen sei die hohe Qualität in der Gesundheitsversorgung dauerhaft sichergestellt, zum anderen stünde den Mitgliedern nun ein engmaschiges Servicenetz aus 113 Service-Centern zur Verfügung. Die Fusion bilde außerdem den Grundstein für eine Kooperation mit der Allianz Privaten Krankenversicherung. "Wir können unseren Versicherten nun exklusive Zusatzprodukte und -leistungen zu günstigen Preisen anbieten." Durch eine Differenzierung der Versorgungsangebote könne die Kasse den heutigen und künftigen Bedürfnissen der Versicherten entsprechen. Wie aus den bisherigen Wettbewerbern PKV und GKV zunehmend strategische Partner werden, zeigt Hauke auf der EUROFORUM-Tagung. "Die enge Verflechtung gilt als Modell der Zukunft", so Hauke. "Schon deshalb wird in diesen Tagen mit Argusaugen auf uns geschaut."
Bei der Verzahnung beider Modelle sollte es aber bleiben: "Es wäre zutiefst unsozial, das Risiko Krankheit zukünftig zur reinen Privatsache zu machen und die Solidargemeinschaft aufzukündigen. Der soziale Frieden in Deutschland wäre gefährdet." Auf der anderen Seite könne auch eine weitergehende Verstaatlichung des Kassensystems hin zur Einheitsversicherung nicht die Lösung sein. "Denkbar und sinnvoll ist punktuell eine engere Verzahnung zwischen gesetzlichen und privaten Kassen. Durch die Zusammenarbeit werden beide Systeme gestärkt."
Kassen müssen ihr Profil schärfen
"Die Bereitschaft der Menschen in Deutschland, ihre Krankenkasse zu wechseln, wird in Zukunft deutlich zunehmen", ist Dr. Cornelius Erbe, Mitglied der DAK-Geschäftsleitung, überzeugt. "Vor allem, wenn Zusatzprämien zu leisten sind, werden sich die Menschen sehr genau über die Leistungsportfolios einzelner Krankenkassen informieren." Die Kassen müssten sich eindeutig positionieren, um nicht vom Markt zu verschwinden. Wie das gelingt, wird Erbe auf der Tagung in Berlin zeigen. Die DAK verfüge bereits über ein großes Portfolio an Selektivverträgen für Integrierte Versorgung und Disease Management Programme. Selektivverträge für Medizinische Versorgungszentren sollen bald folgen. "Wir werden dieses Angebot laufend ausbauen. Außerdem strukturieren wir unsere Organisation derzeit um, um unseren Mitgliedern eine noch höhere Kundenorientierung zu bieten." Erbe geht davon aus, dass Kollektivverträge in den nächsten Jahren immer stärker vereinheitlicht werden. "Darüber hinaus werden sich die einzelnen Krankenkassen spezifisch für ihre Klientel über Selektivverträge ein eigenes Profil geben. Nur so können sie ihre Kunden und potentiellen Kunden von ihrem Leistungsangebot überzeugen." Für die DAK würden Selektivverträge auch in Zukunft hoch im Kurs stehen. "Allerdings werden wir noch kritischer auf den tatsächlichen Kundennutzen und auf qualitative Vorteile gegenüber der Regelversorgung achten." Er wolle zeitnah und präzise messen können, ob Selektivverträge tatsächlich die Versorgungsqualität verbessern und inwieweit mit ihnen Wirtschaftlichkeitspotenziale ausgeschöpft werden können.
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