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Energiewirtschaft bereitet sich auf die Regulierung vor. Tagungsbericht zum 1. Deutschen Regulierungskongress 27. und 28. September 2004, Berlin.

Düsseldorf (ots)

Berlin, 28. September 2004. Der designierte
Regulierer für die Energiewirtschaft, Matthias Kurth rief anlässlich
des 1. Deutschen Regulierungkongresses am 27. September in Berlin die
Gas- und Stromnetzbetreiber zur Zusammenarbeit auf. „Betrachten Sie
uns als Partner.“ Vor rund 200 Teilnehmern des von EUROFORUM
Deutschland organisierten Kongresses machte Kurth Eckpunkte für die
zukünftige Regulierung deutlich. In Bezug auf die Ausführungen von
Jacques- André Troesch (CRE und CEER) sagte Kurth, dass er seine
Arbeit auf europäischer Ebene bereits begonnen habe. Wie Troesch
sprach sich Kurth dabei gegen einen europäischen Regulierer aus. Er
unterstütze Troesch darin, dass es vielmehr auf starke nationale
Regulierer ankäme, um den Energie-Wettbewerb in Europa
voranzutreiben. Der Präsident der Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post warnte davor, auf die europäische Frist
bis 2007 zu warten: „Alles, was man jetzt schon regeln kann, sollte
man auch schon tun.“
Gegenüber der künftigen Rolle der Länder gab Kurth zu bedenken, ob
eine Regulierung auf Länderebene effizient sei. Würden die Länder mit
einbezogen, gäbe es einigen Abstimmungsbedarf und die notwendige
Transparenz würde konterkariert. Das Ziel sei eine effiziente und
schlanke Regulierung. Die aktuelle Diskussion sei nicht auf die Ex-
Ante und die Ex-Post-Regulierung zu begrenzen, vielmehr komme es auf
die Regulierungskriterien an. Kurth betonte die Rolle, die ein
Vergleichsmarkt für seine Arbeit haben wird und forderte die
Energiewirtschaftunternehmen zu mehr Transparenz auf: „Der Regulierer
wird um so besser, je besser die Zahlen sind, die er von den
Unternehmen bekommt.“ In Bezug auf das Energiewirtschaftsgesetz misst
Kurth der Rechtssicherheit eine große Bedeutung zu, damit nicht jede
Entscheidung vor Gericht gebracht werden könnte. Ebenfalls
befürwortete er die Anreizregulierung.
Über die fünfzehnjährige Erfahrung, die in Großbritannien mit der
Regulierung der Energiewirtschaft gemacht worden sind, sprach Boaz
Moselle (OFGEM Office of Gas and Electricity Markets). Der Vertreter
der englischen Regulierungsbehörde stellte fest, dass sich nicht nur
die Märkte verändert hätten, sondern auch die Regulierung. Durch die
Netzregulierung wären die Netzgebühren gefallen und die
Versorgungssicherheit erhöht worden. Die britischen Anstrengungen
wertete Moselle als einen Gewinn für Unternehmen und Verbraucher.
Zentral sei dabei die Anreizregulierung gewesen. Durch starke Gesetze
sei der Regulierer unabhängig und die Entscheidungen seien für alle
verlässlich. Grundlage der OFGEM-Philosophie sei, dass alle
Beteiligten im Fünf-Jahres-Rhythmus zusammen kämen, um die Preise
festzulegen. So sei der Anreiz für ein effizientes Arbeiten in den
Unternehmen groß. Die Preise seien um bis zu 55 Prozent gesunken und
die Rendite der Unternehmen sei gestiegen.
Die weniger erfolgreichen Regulierungsbemühungen in den
Niederlanden erörterte Edward Droste (Essent Energie B.V.). Hier sei
die Regulierung eine Sache von Trial and Error gewesen. Erst nach
zahlreichen Gerichtsverfahren bewege sich der Regulierer hier langsam
auf die Unternehmen zu. Ein guter Stil und ein gutes Verhältnis zu
den Unternehmen sei aber entscheidend für den Erfolg. Ebenso müsse
eine funktionierende Preiskontrolle eingeführt werden.
Dr. Bernd-Michael Zinow (EnBW Energie Baden-Württemberg)
beurteilte die Regulierung als eines der wichtigsten Einflussfaktoren
für den wirtschaftlichen Erfolg von Energieversorgungsunternehmen.
Darum werde auch ein Regulierungsmanagement immer wichtiger. Klare
regulative Vorgaben vom Gesetzgeber und damit Rechtssicherheit seien
dazu aber eine Voraussetzung. Auch innerhalb der Unternehmen müssten
die Zuständigkeiten und Befugnisse geregelt sein, damit ein
professionelles Regulierungsmanagement möglich sei. Die Risiken
müssten den Unternehmen ebenso bewusst sein wie die Chancen, die in
einer guten Zusammenarbeit mit dem Regulator liegen würde. Das
Angebot zum Interessenausgleich von Matthias Kurth sollten die
Unternehmen annehmen.
Dr. Axel Wehmeier (Deutsche Telekom AG) sprach über die
Erfahrungen, die in der Telekommunikation mit der Regulierung gemacht
worden sind. Die Netze ließen sich zwar nicht ohne weiteres
miteinander vergleichen, aber die Praxis hätte doch gezeigt, dass in
der Telekommunikation viele Entscheidungen vor Gericht geendet haben.
Noch heute würden viele Unterlagen, die bei der Regulierungsbehörde
eingereicht würden als „unprüfbar“ beurteilt. Die Energiewirtschaft
sollte sich darauf einstellen: „Regulierungsmanagement ist
Komplexitätsmanagement“. Man brauche klare Kriterien, mit denen man
arbeiten könne, denn nicht alles ließe sich verhandeln.
Die Auswirkungen der Regulierung auf die Kalkulation der
Netznutzungsentgelte von Strom und Gas zeigten Ewald Woste (Mainova
AG), Dr. Hennig Borchers (Bundesverband Neuer Energieanbieter) sowie
Klaus-Dieter Barbknecht (VNG-Verbundnetz Gas) und Dr. Christof Bauer
(Degussa AG) auf.
Ewald Woste machte deutlich, dass ein Methodenwechsel in der
Kalkulation nicht sinnvoll wäre, vielmehr solle man sich auf die in
der Verbändevereinbarung II festgelegte Methode einigen. Der Netto-
Substanzerhalt müsse auch deutlich im neuen Energiewirtschaftsgesetz
festgelegt werden. Für eine Methoden-Diskussion sprach sich dagegen
Dr. Henning Borchers aus. Denn obwohl die Produktivität der EVU in
den letzten Jahren gestiegen sei, wären die Nutzungsentgelte nicht
gesunken. Die bisherige Kalkulation nach dem Netto-Substanzerhalt
hätten zu erhöhten Entgelten geführt, was auch der europäische
Vergleich zeige. Er plädierte für transparentere Methoden, die auch
eventuelle Quersubventionen aufzeigen könnten.
Auf die bestehende Wettbewerbssituation, die im Gasgeschäft
bestehe, verwies Klaus-Dieter Barbknecht (VNG-Verbundnetz Gas AG). Er
sprach sich für unabhängige Gutachten aus, die einen Vergleichsmarkt
ermöglichten. Den Regulierungsbestrebungen gegenüber äußerte er sich
skeptisch, da die Gas-Unternehmen privates Geld in die Netze
investiert hätten. Die Kalkulation nach der Verbändevereinbarung
Erdgas II sei ein bewährtes Modell, um auch die Versorgungssicherheit
weiter zu garantieren. Der Werterhalt der Netze müsse auch mit der
Regulierung gewährleistet werden.
Den Ausführungen von Barbknecht widersprach Dr. Christof Bauer
(Degussa AG). Er beklagte die derzeitige Intransparenz bei den Kosten
und der Erlössituation. Erfolgreich sei nur eine flexible
Regulierung, die auf schnell verändernde Märkte reagiere. Das
zentrale Problem der überhöhten Netzentgelte sei weniger der
Kalkulationsleitfaden als vielmehr die ungerechtfertigen
Gewinnmitnahmen und Liquiditätsabflüsse aus dem Gas-Netz.
Als Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit
stellte Heiner Bruhn wesentliche Punkte der Energiewirtschaftsrechts-
Novelle vor. Zunächst betonte er, dass die Regierung mit dem neuen
Gesetz europäische Vorgaben umzusetzen hätte. Notwendig sei das neue
Energiewirtschaftsgesetz aber auch, weil sich durch das Unbundling
die Strukturen der Rechtsbeziehungen in der Energiewirtschaft
verändern. Ziel sei ein diskriminierungsfreier Zugang zu den
Versorgungsnetzen und angemessene Preise im Netzbereich. Das neue
Gesetz solle auch Grundlage für eine schlanke und effiziente
Regulierung sein.
Die Entflechtung sei der entscheidende Schritt, führte Bruhn
weiter aus. Durch das Unbundling könne mit normativen Vorgaben
bereits eine Neutralität im Netzbetrieb erzeugt und Monopole von
vorneherein ausgeschlossen werden. Zur derzeitigen Diskussion um
Ex-ante und Ex- Post-Regulierung sagte Bruhns, man solle mehr über
die Maßstäbe diskutieren und sich die Frage stellen, inwieweit die
derzeitigen Entgelte rechtens seien. Die Kostenregulierung und
Vergleichsverfahren seien für den Start der Regulierung vorrangig.
Die Missbrauchsaufsicht bewertete Bruhns als entscheidend, denn diese
werde zu einer Senkung der Preise führen und gleichzeitig den
bürokratischen Aufwand überschaubar halten. Hier würden auch die
Mittel des Kartellrechts präzisiert werden. Die
Preisgenehmigungsverfahren würden zunächst nicht zu einer zügigen
Rechtssicherheit führen. Langfristig würde aber die Ex-Post-Regelung
wahrscheinlicher sein.
Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt,
stellte fest: „Das neue Gesetz ist ein Paradigmen-Wechsel.“ Der 1.
Deutsche Regulierungskongress sei wirklich nur der Erste. Es werden
noch viele folgen, denn die Regulierung werde lernen und sich der
Praxis immer wieder anpassen müssen. Hustedt kündigte eine ernsthafte
Debatte im Bundestag und Bundesrat um das neue Gesetz an. Alle
Beteiligten sollten sich auch auf ein Vermittlungsverfahren Anfang
nächsten Jahres einstellen und sich darauf vorbereiten.
Wie Bruhns wollte Hustedt die Diskussion nicht auf die Ex-Ante und
Ex-Post-Diskussion verkürzt wissen. Viel wichtiger sei die Frage der
Anreizregulierung. Spannend sei es, welches Model für einen
Marktvergleich zum Einsatz komme, denn die Methode würde schließlich
über den Erfolg der Regulierung entscheiden. Der Schritt zu Ex-Post
oder Ex-Ante wäre dann auch nicht mehr so schwer. Hustedt und Bruhns
betonten, dass die Regulierung auch ein Lernprozess sei und sich
entsprechend verändern werde.
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