Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Lohndebatte
Bielefeld (ots)
Es liegt ein Hauch von Heuchelei über der Lohndebatte. Wenn Leute wie der Chef der Deutschen Bank die Risikoverteilung im Finanzsystem und die Sucht nach Rendite kritisieren oder der Präsident des Bundestages und etliche führende Politiker ein paar Wochen nach einer blitzschnell durchgezogenen Erhöhung der Diäten die Selbstbedienung der Managerkaste beklagen. Wenn vor dem Hintergrund des schmierigen VW-Skandals milliardenschwere Leute wie Piech oder Wiedekind sich bedeckt halten, um nur diese Beispiele zu nennen, dann darf man sich fragen, ob wir nicht doch in einer Bananenrepublik leben. Ob Deutschland nicht nur ethisch verkommen ist, sondern wir es nicht auch mit Systemfehlern zu tun haben, die Lohndebatte nur die Spitze des Eisbergs ist. Der flächendeckende Mindestlohn wird kommen. Vielleicht wird man auch die Managergehälter irgendwie gesetzlich zu begrenzen versuchen. Und man wird dafür Applaus ernten. Es ist in der Tat nicht mehr zu verstehen, warum die Schere der Einkommen im Land der sozialen Marktwirtschaft mit dem Slogan »Wohlstand für alle« so auseinander driftet. 2,5 Millionen Kinder leben in Haushalten von Sozialhilfe-Empfängern, trotz brummender Konjunktur erhöht sich die Kaufkraft der Leute nicht, im Gegenteil, sie ist schwächer geworden wegen der stark erhöhten Milch-, Strom-, Benzin- und anderer Preise. Das Leben ist teurer geworden, Reformen stagnieren und trotzdem ist die Kanzlerin rundum zufrieden mit dem zu ende gehenden Jahr 2007. Dieser Optimismus ist unglaubwürdig, er passt nicht zum Alltag der Menschen. Das Raumschiff Berlin entfernt sich vom Volk. Dem liegt ein Systemfehler zugrunde. Immer noch leben die meisten Menschen in Familie. Das Steuer-und Sozialsystem aber begünstigt die Kinderlosen und knüppelt die Familien systematisch in die Armut. Die Stellschrauben am System müssen verändert werden. Die CSU hat das erkannt und schlägt eine Erhöhung der Kinderfreibeträge vor, was das Bundesverfassungsgericht übrigens seit Jahren fordert. Familien sollen aus dem selbst erwirtschafteten Geld leben können. Es wird an der SPD scheitern, weil das Freiheitsverständnis bei den Sozialdemokraten und auch bei großen Teilen der CDU unterentwickelt ist. So wird man mit der Politik des hohen Mindestlohns die Arbeit verteuern, die Investitionen hemmen und mit dem ungerechten Sozialsystem die Kaufkraft derer schwächen, die konsumieren würden. Zu den hausgemachten Gründen kommen die Unwägbarkeiten der Finanzkrise, so dass man heute schon sagen kann: 2008 wird das Jahr des konjunkturellen Abschwungs. Das wird die Propagandamaschinen der Parteien auf Hochtouren bringen. Der Krug ist zwar trotz der vielen Wege zum Brunnen bisher ganz geblieben, aber der Pegel im Brunnen des Allgemeinwohls ist mittlerweile tief gesunken. Der Durst nach sozialer Gerechtigkeit fängt an zu schmerzen.
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