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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Münchener U-Bahn-Schlägern

Bielefeld (ots)

Ungezählte Male haben wir mittlerweile die
Bilder aus der Überwachungskamera der Münchener U-Bahn-Station 
gesehen, und jedes Mal aufs Neue lösen sie blankes Entsetzen aus. Ein
Hagel von Faustschlägen, brutalste Fußtritte gegen den Kopf des 
Opfers - es grenzt an ein Wunder, dass der pensionierte Schuldirektor
den Gewaltexzess der beiden Schläger überlebt hat. An den Folgen der 
Tat aber wird er ein Leben lang leiden.
Über das Entsetzen hinaus machen diese Bilder Angst: Könnte nicht 
jeder von uns ein solches Zufallsopfer werden? Als »Scheißdeutscher« 
beschimpft, beraubt und verprügelt zu werden?
Das Urteil des Landgerichts München kann diese Angst nicht nehmen. 
Aber es setzt ein Zeichen, indem es die Tat als versuchten Mord 
wertet. Obwohl die beiden Täter betrunken waren. Obwohl sie Drogen 
genommen hatten. Obwohl sie, wenn auch halbherzig, Reue geäußert 
haben. »Eine völlig sinnlose Tat auf sittlich niedrigster Stufe« 
nennt der Vorsitzende Richter Reinhold Baier das Gewaltverbrechen - 
wer will ihm widersprechen?
 Da ist es nur konsequent, dass der zur Tatzeit 20 Jahre alte Serkan 
A. nicht nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde. Auch beim Strafmaß 
blieb das Gericht nahe an der Forderung der Staatsanwaltschaft und 
nur knapp unter den möglichen Höchststrafen: Zwölf Jahre Haft für 
Serkan A., achteinhalb Jahre Jugendstrafe für den drei Jahre jüngeren
Spyridon L.: Wer nun »Was, mehr nicht?« ruft, verkennt das deutsche 
Rechtssystem, das zu Recht keinen Unterschied macht, ob es sich bei 
den Tätern um Einheimische oder - wie in diesem Fall - um einen 
Türken und einen Griechen handelt.
Vor den beiden U-Bahn-Schlägern von München müssen wir vorerst also 
keine Angst mehr haben - im Falle von Serkan A. vielleicht sogar nie 
mehr, wenn sich die CSU mit ihrer Forderung auf Abschiebung in die 
Türkei durchsetzt, obwohl der 20-Jährige in Deutschland geboren ist.
Es ist gut, dass der in der Vergangenheit oft als zu nachsichtig 
empfundene Rechtsstaat mit dem Münchener Urteil Stärke zeigt. Doch 
mit Strafen allein ist das Problem der Jugendgewalt nicht gelöst. 
Über Jahrzehnte hinweg hat es unser Gemeinwesen geduldet, dass sich 
Parallelgesellschaften entwickeln konnten. Integration wurde weder 
gefördert noch gefordert, Einheimische wie Zugewanderte begegnen sich
nach wie vor mit großem Misstrauen.
Gewalt, das wissen Experten aus der Jugend- und Sozialarbeit, ist 
nicht ein Problem der Nationalität, sondern des Milieus - das 
allerdings allzu oft von der Herkunft geprägt ist.
Wer diese Milieus aufbrechen will, muss im Kindesalter ansetzen, muss
Problemfamilien stützen, Jugendlichen Berufschancen eröffnen - 
gleichgültig, ob sie einen türkischen, einen russischen oder einen 
deutschen Namen tragen.
Das ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft - 
Rückschläge nicht ausgeschlossen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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