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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Obama in Berlin

Bielefeld (ots)

US-Fernsehstationen staunen schon seit Tagen
über die Obama-verrückten Deutschen. Gestern Abend endlich konnten 
die »Obama-crazy Germans« selbst überprüfen, ob stimmt, was eine 
völlig übersteigerte Heilserwartung in den Senator aus Illinois 
hineinprojiziert hatte.
Neben der Begeisterung für einen frischen, unverbrauchten Politiker 
mit den allerbesten Absichten trat auch Ernüchterung. Realismus statt
Happening schwang mit in seiner durchaus staatsmännischen Rede an der
Siegessäule. Obama konnte gar nicht anders, als die in ihn gesetzten 
messianischen Hoffnungen zurück zu stutzen. Statt eines Super-Stars 
erlebten 200 000 den möglicher Oberbefehlshaber der mächtigsten 
Nation der Neuzeit.
 Luftbrücke und Mauerfall, Familiengeschichten und Weltsolidarität 
waren die langen Linien einer rhetorisch wie inhaltlich stimmigen 
Ansprache. Wer genau hinhörte, dem entgingen aber auch nicht Aspekte 
von Blut und Boden. Das war womöglich die wahre Botschaft des Barack 
Obama an Europa und an seine Wählerschaft daheim.
 Unmissverständlich wurde klar, was der Demokrat will, sollte er am 
4. November ins Weiße Haus gelangen: Deutschland muss stärker zum 
Antiterror-Kampf beitragen. Dabei wird hierzulande das 
Afghanistan-Mandat gerade um 1000 auf 4500 Soldaten aufgestockt. 
Obama vermied konkrete Zahlen. Hätte er sonst über 6000, gar 8000 
deutsche Kämpfer beiderseits des Hindukusch, also auch in Pakistan, 
sprechen müssen?
 Obama streute zwischen Bekenntnisse zum Klimawandel und Kampf für 
die Menschenrechte von Somalia bis Birma die Worte »Opfer«, 
»Lastenteilung« und (fehlendes) »Vertrauen ineinander«.
 Keine Nation, auch nicht die stärkste, könne allein gegenüber der 
Herausforderung des Terrorismus bestehen, redete er dem alten Europa 
ins Gewissen. Will sagen: Mehr als 4000 Leichensäcke mit toten GIs 
sind nicht fair.
 Eigentlich ist Obama noch gar nichts, nicht einmal ein von den 
Demokraten tatsächlich nominierter Präsidentschaftskandidat. Und auch
die Deutschen, die zu 76 Prozent den vermeintlich legitimen Erben von
John F. Kennedy fast ungeprüft wählen würden, nutzen ihm nicht. Sie 
haben kein Wahlrecht jenseits des Atlantiks.
Irak, Afghanistan, Nahost und Berlin-Paris-London im Schnelldurchgang
hatte sich Obama selbst verordnet. Es galt, den Vorwurf mangelnder 
außenpolitischer Erfahrung zu kontern. Dabei dürfte der politische 
Durchlauferhitzer kaum etwas mitnehmen nach Hause. Einzig die Bilder 
aus Berlin und Bagdad sind für Extra-Stimmen am Wahltag gut.
Obama steht für Veränderung und Wandel in den USA. Das ist der Kern 
der Obama-Begeisterung bei uns. Dahinter steht eine tiefe, rational 
kaum zu erklärende Ablehnung von Präsidenten wie George W. Bush, der 
wie fast alle seine Vorgänger auch Krieg führt.
 Weniger Überhöhung bewahrt vor Überschätzung. Gut, dass Obama Zeit 
hatte, uns das einmal zu erklären.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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