Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Großen Koalition/Bilanz
Bielefeld (ots)
FDP-Chef Guido Westerwelle hat auf die Frage, was er sich von einem »Kanzlerduell« im Fernsehen verspreche, Folgendes gesagt: »Das ist kein Kanzlerduell, sondern ein Selbstgespräch der Regierung.« So ist das eben mit der Großen Koalition. Vier Jahre lang fehlten die kontroversen Diskussionen. Vier Jahre lang gab es keine mächtige Opposition. Vier Jahre lang fehlte das Feuer unter dem sprichwörtlichen Hintern der Regierungsparteien. Wenn zwei sich lieb haben müssen, kann keine echte Liebe entstehen. So kam die Große Koalition nach der Bundestagswahl 2005 durch eine Verlegenheitshochzeit zustande. Auch in den folgenden Jahren blieb es nicht mehr als eine Zweckehe. Längst überfällige Vorhaben, wie zum Beispiel die große Steuerreform, wurden nicht angepackt. Die Große Koalition hat die Mehrwertsteuer erhöht und somit die Bürger empfindlich mit 23 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Auch in Sachen Bildungspolitik hat sich Schwarz-Rot nicht mit Ruhm bekleckert. Ein Dorn im Auge war und ist für viele Menschen die Rente mit 67. Diese Entscheidung hat dazu geführt, dass der SPD ein Teil des linken Flügels wegbrach. Die Folgen mit Gründung der Linkspartei sind bekannt. Personell gab es in der Großen Koalition einige Enttäuschungen (Glos, Tiefensee, Jung, Wieczorek-Zeul), viel Mittelmaß (Zypries, Schmidt, Gabriel, Scholz, Schavan, Aigner) und nur wenige Leistungsträger (zu Guttenberg, Steinbrück, Steinmeier, von der Leyen). Weil es in der SPD bisweilen wie auf Schalke zuging (vier Parteichefs in drei Jahren), war bis auf eine Ausnahme (Michael Glos) die Union um Kanzlerin Angela Merkel die Konstante der Großen Koalition. Merkel hat den Laden geschickt zusammengehalten, obwohl ihr aus den eigenen Reihen häufig vorgeworfen wurde, den Weichzeichner über die Union gezogen zu haben. Schwarz-Rot hat sich trotz aller Kritik dennoch als Glücksfall erwiesen. Denn als schnelles Handeln aufgrund der Krise nötig war, als die Wirtschaft und die gesamte Finanz- und Bankenwelt unterzugehen drohte, war die Große Koalition da und bewies Handlungsbereitschaft und Handlungsfähigkeit. Auf die Fahnen schreiben kann sich Schwarz-Rot auch eine Zahl, die heute leider schon wieder Geschichte ist: Im Oktober 2008 sank die Arbeitslosigkeit erstmals seit 16 Jahren unter die Marke von drei Millionen. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung erreichte ein Rekordtief von 2,8 Prozent. Die Große Koalition - sie war nicht so schlecht, wie sie von vielen gemacht wird. Sie ist aber auch längst nicht so gut gewesen, wie es CDU und SPD zum Teil gebetsmühlenartig predigen. Glaubt man den Umfragen, wird die Koalition abgewählt und durch ein schwarz-gelbes Bündnis ersetzt. Am 27. September wissen wir mehr.
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