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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan

Bielefeld (ots)

In Afghanistan ist Krieg. Im Feldlager Kundus
mit festen, aber nicht verbunkerten Unterkünften für 500 
Bundeswehrsoldaten und Zivilisten sind derzeit mehr als 1100 Soldaten
stationiert. In der benachbarten Distrikthauptstadt von der Größe 
Paderborns und einer riesigen dünn besiedelten Umgebung versteckten 
sich bis vor einem Jahr höchstens 40 Untergrundkämpfer. Inzwischen 
ist ihre Zahl um ein Vielfaches gestiegen, auch weil der 
Verfolgungsdruck in anderen paschtunischen Siedlungsgebieten extrem 
zugenommen hat.
Seit Wochen reißen Schießereien, Selbstmordanschläge und Gefechte in 
Hör-, manchmal sogar in Sichtweite des ummauerten und schwer 
bewachten Bundeswehrgeländes nicht ab. Das ist die Ausgangslage für 
das Geschehen von Donnerstag auf Freitag, bei dem um 21 Uhr zwei 
Tanklastzüge gestohlen werden und morgens um 2.30 Uhr - nach 
Nato-Schätzungen - 100 Aufständische sowie gut zwei Dutzend 
Zivilisten auf einer Sandbank im Kundus-Fluss entweder zerrissen 
werden oder verbrennen.
Zwischen Militärs und Militanten leben Menschen, die seit 1980 Krieg 
erleben, mal entfernt, mal ganz nah. Auf dem Gelände des heutigen 
deutschen Feldlagers waren einst mehr als 10 000 russische Soldaten 
stationiert. Die Nordafghanen kennen Tod und Verderben, Risiken und 
Lebensgefahr. Dennoch zünden sie ihren Ofen mit kleinen Mengen 
Dynamit an, sie lagern scharfe Geschosse in ihren Häusern und sie 
zapfen Benzin ab, wenn ein Tankwagen feststeckt. Manche nehmen dabei 
sogar ihre Kinder mit.
Vor diesem Hintergrund ist es zur Katastrophe gekommen. Furchtbar, 
schrecklich, kaum zu ertragen.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verlangt: kein Angriff, wenn 
auch nur ein Zivilist in der Nähe ist. Der deutsche Kommandeur 
befürchtete dagegen den großen, lange erwarteten Angriff auf sein 
Lager und die ihm schutzbefohlenen Soldaten hinter Kieskisten und 
Zeltplanen.
Wer sich hier und auf die Schnelle von Europa aus ein Urteil erlauben
möchte, muss die Fakten zur Kenntnis nehmen und er muss entscheiden, 
welchen Angaben er traut. Er muss sich frei machen von dem Glauben, 
die Taliban richteten ihr Handeln nach deutschen Wahlkämpfen, 
europäischen Geberforderungen oder gar an der vom Koran verlangten 
Friedensliebe aus. Wer über den deutschen Oberst, der die Bomber 
anforderte, richtet, sollte nicht von vornherein unterstellen, 
Isaf-Truppen seien Mordbrenner, die man nur durch Missionare der 
Nächstenliebe ersetzen muss, und das Feldlager Kundus würde zur 
Universität, wie vor Ort geplant und erhofft.
Zunächst müssen die Details des Geschehens in der Nacht geklärt 
werden. Die Grundsatzfrage, warum wir in Afghanistan sind, sollte 
solange zurückstehen. Seit 2002 diskutieren Bundestag und 
Öffentlichkeit darüber, weshalb 100 000 ausländische Soldaten in 
Afghanistan kämpfen und inzwischen 1347 gefallen sind. Diese Frage 
bleibt bleischwer erhalten.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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