Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Sturmtief "Daisy"
Bielefeld (ots)
Deutschlands Nordosten stöhnt zu Recht unter den Folgen des Sturmtiefs. Die in ihrem Auto oder Lkw festsitzen, spüren, dass der Mensch trotz allen technischen Fortschritts immer noch Teil und nicht absoluter Herrscher über die Schöpfung ist. Doch warum verstellt sich der Rest des Landes, indem er eifrig mit klagt, den Blick auf andere Seiten des Winters? Mal ehrlich: Ist sie nicht toll, die weiße Pracht? Ob Baum, Straße oder Vogelhaus: Dick eingehüllt in Schnee erscheint jeder Gegenstand in einem neuen reizvollen Kleid. Es ist, als ob Christo und seine im vergangenen November leider verstorbene Frau Jeanne-Claude ganz Ostwestfalen-Lippe verhüllt hätten, um eine andere Sicht auf das Land zu ermöglichen. Nur heißt die Künstlerin diesmal Mutter Natur. »Daisy« sei Dank, war Frau Holle am Wochenende endlich mal wieder zum Großreinemachen aufgelegt. Viele Jahre stand der Winter nördlich des Mains doch nur im Kalender. Wie üblich in Deutschland fühlte sich jedoch wieder ein Heer von Unglück verheißenden Kassandras und Chaos-Propheten aufgerufen, schon vorab die Freude zu mindern. Sie können sich zum Teil sogar bestätigt fühlen: - In Nordostdeutschland wurden ganze Dörfer eingeschneit. - Die Warnung, es gebe nicht genug Streusalz, führte dazu, dass sogar Speisesalz in den Geschäften knapp wurde. - Wie prophezeit, blieben viele Autos im Schnee stecken. Wohl dem, der sich auf der A 20 mit warmen Decken versorgt hatte. - Und auch die Bahn konnte ihren Fahrplan nicht aufrecht erhalten. Verspätungen um 30 Minuten an den Bahnhöfen in OWL waren an der Tagesordnung. Ärgerlich, für manche sogar schlimm. Aber eine Katastrophe? In den sechziger und siebziger Jahren nutzte die Bundesbahn solche winterlichen Vorkommnisse noch zur Werbung in eigener Sache: »Alle reden vom Wetter. Wir nicht!« Ganz offenbar ist der Zug der heutigen Zeit ein Opfer des technischen Fortschritts. Das Gemaule über das Wetter hat auch eine private Seite: Viele stellen jetzt jetzt fest, dass sie Kehrwoche haben. Sie beeilen sich, den Vorschriften von Versicherern zu folgen, die nicht nur spaßfeindlich, sondern auch wirklichkeitsfremd sind. Ordentliches Schuhwerk geht auf Schnee mindestens so gut wie auf Flächen, auf denen die Reste des oberflächlich geräumten Schnees schon beim nächsten Kältesprung gefrieren. Manchmal sollte man die Kinder fragen. Sie freuen sich einfach nur, wenn sie ihre Schlitten hindernisfrei zur Rodelbahn ziehen können und nicht alle fünf oder zehn Meter auf ihre Schulter umladen müssen. »Daisy« hat uns diesen Winter gebracht. Daisy ist auch der Name der ewigen Verlobten von Donald Duck. Von der Art, wie Walt Disneys Comicfigur mit Herausforderungen umgeht, kann man lernen. Mein Rat: Genießen Sie die schönen Seiten des Winters! Ertragen Sie eventuelle Nachteile mit Gelassenheit! Niemand weiß, wie viele echte Winter uns die Klimaerwärmung noch lässt. So wenig wie eine Schwalbe den Sommer bringt, so wenig verändert ein kalter Januar schon den Kurs des Weltklimas.
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