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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Situation in Haiti:

Bielefeld (ots)

Am 12. Januar bebte in Haiti die Erde so
mächtig, dass Autos durch die Luft flogen, dicht besiedelte Berghänge
ins Verderben stürzten und einem der ärmsten Länder der Welt fast der
Todesstoß versetzt wurde.
 Schon vor dem Beben mussten 55 Prozent der Bevölkerung mit weniger 
als einem Dollar pro Tag auskommen. Jetzt sind fast alle Geschäfte 
und Produktionen zum Stillstand gekommen, die Schulen geschlossen und
der Staat zahlt keine Gehälter mehr. Ohne die 900 Hilfsorganisationen
gäbe es längst Hungersnot und ein Massensterben nach dem Tod der 
vermutlich 200 000 Bebenopfer.
Keine Frage: In all den Jahren ist Haiti vernachlässigt worden. Aber 
wer sich mit der Vergangenheit aufhält, verweigert sich dem 
Nötigsten. Man kann die Regierung schelten, seinen Anti-Amerikanismus
pflegen, aber niemand darf die Überlebenden vergessen, deren Leiden 
noch lange andauert. Weder die Adoption von 10 000 Waisenkindern noch
die massenhafte Verlosung von Greencards zur legalen Einwanderung in 
die USA wären eine Lösung.
Ende März treffen sich die Mächtigen der Welt zur Geberkonferenz in 
New York. Jeder Dollar wird gebraucht, selbst wenn es beinahe üblich 
ist, dass manches Versprechen am Ende nicht ganz gehalten wird.
Aber es geht um mehr als um Geld. Haiti braucht 
Grundsatzentscheidungen etwa über die Einführung eines staatlichen 
Schulwesens oder über den Zugriff auf Grund und Boden - schon allein,
weil dringend riesige geordnete Zeltstädte gebaut werden müssten. 
Anders ist die Lage im Moloch von Port-au-Prince nicht zu entspannen.
Und das Grundsätzliche muss schnell geschehen. Die Regenzeit hat 
früher eingesetzt. Nicht auszudenken, was mit einer Million 
Obdachlosen in der kommenden Wirbelsturmsaison geschieht.
Die Vereinten Nationen haben selbst schwere Verluste erlitten. Die 
Europäische Union ist erst seit zehn Tagen wieder arbeitsfähig und 
die USA ziehen die ersten Soldaten schon wieder ab. Haitis Elite hält
sich noch bedeckt, niemand will öffentlich Kritik an Präsident René 
Préval üben. Die wenigen Megareichen sind zwar glühende Patrioten, 
begreifen aber erst langsam, dass auch sie zum Verzicht zugunsten des
Ganzen bereit sein müssen.
Die schwierigste Frage für die Weltgemeinschaft ist, ob und wann sie 
selbst das Heft das Handelns ergreift, zur Not auch ohne Rücksicht 
auf die gewählte, aber letztlich überforderte Regierung Haitis. Die 
großen Hilfsorganisationen haben aus früheren Katastrophen 
Handlungsweisen und Zielgrößen für sich entwickelt, die lokal bereits
greifen, mitunter sogar vorbildlich funktionieren.
 Solange aber die nationale Zielvorgabe für alle fehlt, droht ein 
ungeordnetes Nebeneinander gut gemeinter Konzepte. Haiti braucht 
jetzt keinen starken Mann, wohl aber ganz schnell eine entschlossene 
Führung, auf die auch die Geberländer setzen können.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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