Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Berliner Schloss
Bielefeld (ots)
Als man Preußens König Friedrich Wilhelm III. vorschlug, einen fadenscheinig gewordenen Anzug auszumustern, lehnte der des Deutschen nur in Infinitivkonstruktionen mächtige Monarch das Ansinnen per handschriftlicher Notiz ab: »Anzug gut - ihn noch viele Jahre tragen können.« Der Gute war halt sparsam. 1817 hielt der König die - längst überfällige - Renovierung der Fassade des Berliner Schlosses für überflüssig. Da warnte ihn Preußens erster Ästhet vor einem gewaltigen Imageschaden: »Welch einen widrigen Eindruck würde es im Lande und im Auslande machen, wenn das Königliche Schloss eines Hauptschmuckes beraubt würde aus einem ökonomischen Grunde.« Jener Ästhet war natürlich niemand anderes als der Architekt und Stadtplaner Karl Friedrich Schinkel, der stilbildende »Vater des Klassizismus«. Schinkel hat sich damals durchgesetzt, und das ist der Unterschied zu heute. 200 Jahre nach dem schlichten König regiert erneut die Schlichtheit des ökonomischen Denkens, aber weit und breit ist kein Schinkel in Sicht, der den Kleingeistern in den Arm fiele. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) rief Entsetzen hervor, als er die geplante Kuppel des Schlosses in Autobahnkilometer umrechnete - mit einem Betonquader auf Berlins zentraler Brache kann er sich anfreunden, mit Schlaglöchern im Asphalt nicht. »Das Schloss ist auch ohne Fassade machbar«, befand Ramsauer - der oberste Bauherr der Republik sieht nicht, dass architektonische Form und staatliche Funktion zusammengehören. Was soll da hochgemauert werden? Ein Bunker. So fadenscheinig der Anzug, so ärmlich das, was in ihm steckt: das Humboldt-Forum. Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, plant es als »Ort der Weltkulturen«. Ein wunderbares Versprechen. Hinter ihm verbirgt sich aber wenig mehr, als dass Amazonas-Indianer und andere Kulturträger aus aller Welt die Präsentation der gesammelten Schätze mit Leben füllen sollen. Die »FAZ« nennt das einen »Kolonialzoo«. Anders die Wissenschaftler der Humboldt-Uni und der Berliner Akademien: Sie möchten zwischen den Vitrinen Forschungslabore einrichten und Tagungen abhalten. Elitäres Marketing? »Interaktives Schulfernsehen«, barmt die »FAZ«. Der Bürger reibt sich die Augen und fragt sich, warum es einen Architektenwettbewerb für ein Projekt gab, das weder von der hohen Politik noch von der Geisteselite der deutschen Hauptstadt zu Ende gedacht wurde. Die Spender aus New York und Buenes Aires (die gibt es tatsächlich!) werden ganz offiziell, ministeriell, vor den Kopf gestoßen. Deutschland hängt sein Vorzeigeprojekt Nr. 1 in den Schrank, als sei es des Königs schäbiger Bratenrock von vor 200 Jahren. Das ist nicht bloß kleinlich. Das ist erbärmlich.
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