Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Bertelsmann
Bielefeld (ots)
Das wird nicht funktionieren beim Medienkonzern Bertelsmann. Das muss schief gehen. Das Ende wird spätestens dann kommen, wenn das Unternehmen erstmals in eine kleine Krise gerät. Wenn überhaupt, kann das nur in der Provinz Gütersloh und nur eine Zeit lang gut gehen. Die Kommentare, mit denen Reinhard Mohns damals neues System der Manager- und Mitarbeiterführung in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren von den Arbeitgeberkollegen, aber auch in Teilen der Gewerkschaften aufgenommen wurde, waren alles andere als freundlich. Die Ideen vom »roten Mohn« passten nicht in eine Zeit, die noch vom unverrückbaren Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital ausging. Sie passten nicht zu einem Menschenbild, das sich den Arbeiter grundsätzlich nur als »Faulpelz« vorstellen konnte, der nur auf Druck bereit war, sich überhaupt zu bewegen. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Oder auf Deutsch: Die Zeiten ändern sich, und wir uns mit ihnen. Dass die etwa 10 000 Bertelsmann-Mitarbeiter aus der Region heute den 175. Geburtstag des Konzerns feiern, ist wohl Beweis genug, dass ein Unternehmen keineswegs zusammenbricht, wenn es die Mitarbeiter am Erfolg beteiligt. Sie zeigen auch: Die besten Unternehmungen entstehen in Freiheit. Wenn Kreative gegängelt werden, erleiden ihre guten Ideen einen schnellen Tod. Auch ist niemand so allwissend und genial, dass er auf jede Frage immer die beste Antwort weiß. Da ist es besser, Entscheidungen dorthin zu delegieren, wo auch Sachverstand vorhanden ist und wo die Beschlüsse letztlich umgesetzt werden. Daraus folgt natürlich, dass die Betroffenen auch für die Folgen bis zu einem gewissen Grad gerade stehen. Alle Manager, die bei Reinhard Mohn in die Schule gegangen sind, berichteten später, dass er stets dazu ermuntert hat, Risiken einzugehen. Nur wer wagt, kann gewinnen. Und mancher Gewinn entsteht erst dadurch, dass ein Team eine Sache voll und ganz zu seiner eigenen macht. Alt-Gewerkschafter deuten dies bis heute manchmal als Selbstausbeutung. Manche Alt-Unternehmer unterstellen dagegen Selbstverwirklichung. Doch warum nicht? Wenn die Selbstausbeutung den Betroffenen Erfüllung bringt? Und die Selbstverwirklichung der Allgemeinheit zugute kommt? In den meisten Firmen ziehen Geschäftsführung und Betriebsrat heute an einem Strang. Das hat Deutschland in der Krise davor bewahrt, in Depression und Massenarbeitslosigkeit zu fallen. Aber das Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist keine Selbstverständlichkeit. Um sie muss täglich gerungen werden. Fest steht: Kein Unternehmen, das seine Mitarbeiter mobbt, ihnen verbotenerweise Minilöhne zahlt, von denen sie nicht leben können, oder das Angestellte sofort entlässt, weil sie sich erlaubt haben, eine Maultasche vom Buffet zu naschen, wird je einen 175. Geburtstag feiern. Das bleibt anderen Unternehmen vorbehalten. Unternehmen wie Bertelsmann.
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