Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Castingshows:
Bielefeld (ots)
Nina Richel, Schülerin aus Hildesheim, und Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg haben eines gemeinsam: Sie sind öffentliche Menschen, Kameras sind auf sie gerichtet. Nina Richel hofft in der Castingshow »Deutschland sucht den Superstar« auf eine Gesangskarriere, der Adlige im Kabinett Merkel darauf, dass die Doktortitel-Affäre schnell in Vergessenheit gerät. Eines unterscheidet die beiden aber grundsätzlich: der eine ist ein Profi in der Selbstinszenierung in den Medien, die andere wird vom Privatsender RTL fremdbestimmt. Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein Medienprofi. Er schließt Bündnisse mit Sendern und Zeitungen - wie Mitte Dezember, als er mit seiner Ehefrau Stephanie die deutschen Soldaten in Afghanistan besuchte und den unter Quotenschwund leidenden Sat1-Moderator Johannes B. Kerner mitnahm. Hinzu kommt die auffällige Hofierung des Ministers in der auflagenstärksten deutschen Boulevardzeitung »Bild«. Nina Richel, Marco Angelini und die übrigen acht »DSDS«-Kandidaten hingegen sind weniger Akteure als vielmehr Spielbälle des Senders RTL. DSDS ist eine Art Striptease-Show, bei der die Kandidaten die Jeans anbehalten dürfen, aber ihr Gefühlsleben bloßstellen (müssen). Jede Träne wird von einer Kamera eingefangen, der Verlust von lieben Menschen in Geschichten ausgewalzt. Der Dramaturgie wegen werden Kandidaten in Schubladen gesteckt (»die Zicke«). Das enge Aufeinanderhocken in der DSDS-Villa soll die ohnehin vorhandene Konkurrenz der jungen Leute untereinander anheizen. Peter Boudgoust, der Intendant des Südwestrundfunks, nennt das »Sozialpornografie«, wenn Laien beispielsweise in Dokusoaps Konflikte austragen sollen. Fast 35 000 junge Menschen bewarben sich für die aktuelle Staffel von »Deutschland sucht den Superstar«, einige von ihnen wurden von der Jury um Dieter Bohlen bewusst lächerlich gemacht - anstatt sie erst gar nicht einzuladen, weil ihnen offensichtlich das Talent fehlt. Darunter werden die Vorgeführten noch lange leiden, weil Mitschüler mit dem Finger auf sie zeigen. Die zehn Übriggebliebenen haben in den Mottoshows keine andere Wahl, als sich den Regieanweisungen zu fügen. Wer es sich mit Bohlen verscherzt, kann einpacken. RTL spielt mit der Hoffnung der Kandidaten auf die große Karriere und macht daraus ein Geschäft. Nina Richel und die anderen sind Werkzeuge für eine hohe Einschaltquote. So wie es 2010 Menowin Fröhlich war, dessen kriminelle Vergangenheit (Betrug und Körperverletzung) in den Mittelpunkt gerückt wurde. Weil sie heiß auf Aufmerksamkeit sind und wie ihre Eltern die Gesetze einer Castingshow nicht kennen, bewerben sich jedes Jahr Tausende bei RTL oder Pro7. Sie sollten sich keine Illusionen machen: Diese Shows sind moralisch fragwürdig, reine Fremdinszenierung, und ihre Sieger sind schnell vergessen.
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