Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Betreuungsgarantie für Kinder unter drei Jahren
Bielefeld (ots)
Das Projekt »Krippenplätze für alle« ist gescheitert. Nie und nimmer wird es den westdeutschen Bundesländern gelingen, die zum Jahr 2013 versprochene Betreuungsgarantie für Kinder unter drei Jahren flächendeckend umzusetzen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Bund und Länder unterschiedliche Statistiken führen und Landesfamilienministerin Ute Schäfer (SPD) deshalb auf eine deutlich höhere Betreuungsquote als die für Nordrhein-Westfalen errechneten 15,9 Prozent kommt. Neben solcherlei Zahlenwirrwarr bietet die Politik vor allem eines: Sie spielt Schwarzer Peter. Die Bundesfamilienministerin schimpft auf die Länder, die bislang nur die Hälfte der versprochenen 2,15 Milliarden Euro Fördergelder abgerufen hätten. Die Länder wiederum deuten mit erhobenem Zeigefinger auf die Kommunen, die doch schließlich für die Kitas zuständig seien. Die Städte und Gemeinden wiederum klagen über leere Kassen, die ja der Bund zu verantworten habe. Schuldzuweisung statt Problemlösung: Die betroffenen Familien stehen im Regen. Unstrittig ist, dass immer mehr Familien auf eine Betreuung ihrer Kleinkinder angewiesen sind. Die Zahl der Mütter, die für längere Zeit zugunsten der Familie auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, sinkt. Immer mehr Frauen wollen oder müssen arbeiten. Auch die Rechtssprechung sieht das mittlerweile so: Eine geschiedene Frau muss spätestens dann wieder in Vollzeit arbeiten, wenn das jüngste Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat, urteilte jüngst der Bundesgerichtshof. Die Ehe als Lebens- und Versorgungsgemeinschaft ist längst nicht mehr der Regelfall. Krippen, Kindergärten und Schulen wächst angesichts dieses gesellschaftlichen Wandels eine immer stärkere Verantwortung zu. Doch auch diesen Umstand blendet die Politik aus. Eine Erzieherin sollte nicht mehr als drei Kleinkinder unter drei Jahren betreuen, empfiehlt etwa die Bertelsmann-Stiftung. Die Wirklichkeit in den deutschen Krippen sieht anders aus. Und nicht nur dort. Das Land NRW schreibt in der offenen Ganztagsschule keine Qualifikationen für das Betreuungspersonal vor. In den wenigen verbliebenen Kinderhorten - also Kindertagesstätten, in denen nachmittags Schulkinder betreut werden - haben hingegen fast 80 Prozent des Betreuungspersonals einen Hochschul- oder Fachabschluss und damit auch Anspruch auf eine bessere Bezahlung. Mehr Qualität kostet nun einmal mehr Geld. Die rot-grüne Landesregierung hat deshalb Kitas und Kindern einen Bärendienst erwiesen, als es das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt hat. 150 Millionen Euro pro Jahr lässt sich das Land dieses Dauerwahlgeschenk kosten. Geld, das in den Kitas besser aufgehoben wäre. Wie man es besser macht, lässt sich in Thüringen studieren. Dort hält man an Elternbeiträgen fest und gibt massiv mehr Geld aus, um 2400 zusätzliche Erzieherinnen einzustellen und die Gruppen zu verkleinern. Denn Thüringen hat erkannt: Kinderbetreuung ist eben kein Kinderkram.
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