Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan
Bielefeld (ots)
US-Präsident Barack Obama hält den Afghanistankrieg noch heute für erforderlich: Der Kampf gegen die Taliban solle den Terrorismus besiegen und die Welt sicherer machen. Die Afghanistanintervention sei somit ein »gerechter« Krieg - etwa wie der Zweite Weltkrieg, der Europa vom Faschismus befreite.
»Wo Gewalt nötig ist, haben wir ein moralisches und strategisches Interesse, uns zu bestimmten Verhaltensregeln zu verpflichten«, hatte Obama in seiner Nobelpreisrede verkündet. Recht hat er; nur wird dieses Prinzip inzwischen von seinen Soldaten mit Füßen getreten.
Das Video, das US-Soldaten beim Urinieren auf afghanische Leichen zeigt, verletzt alle Regeln von Anstand und Sitte. Es ist ekelhaft und menschenunwürdig. Entsprechend scharf reagiert die US-Regierung: Verteidigungsminister, Außenministerin und Stabschef kündigen an, die Soldaten zur Verantwortung zu ziehen. »Wir verlieren uns selbst, wenn wir die Ideale kompromittieren, die wir verteidigen«, hatte Obama in Oslo gesagt. Genau das ist jetzt geschehen.
Die Schandtat vernichtet den westlichen Anspruch, Menschenwürde und Zivilisation nach Afghanistan bringen zu wollen. Der Versuch, die Herzen und Köpfe der Afghanen zu gewinnen, erleidet einen Rückschlag. Afghanistan hat jetzt sein eigenes Abu Ghraib: Das US-Militär hat offensichtlich nichts aus den Fehlern im Irak gelernt. Entsprechend wütend muss Obama sein, denn die Doppelstrategie, die Taliban zu bekämpfen und Afghanistan wirtschaftlich und militärisch zu entwickeln, geht nicht auf. Die Taliban bleiben standhaft und gefährlich.
Das Schandvideo bietet ihnen obendrein die Gelegenheit, den Hass auf den Westen schüren. Hier leidet der Versuch, das Taliban-Problem diplomatisch lösen zu wollen. Obamas Plan, Afghanistan zu befrieden und möglichst bald verlassen zu können, gerät in Gefahr. Der US-Präsident weiß, dass dieser Krieg auch in den USA unbeliebt ist. Er werde sich zunehmend um Amerika kümmern, hat er kürzlich verkündet und den Rückzug von 33 000 US-Truppen bis Sommer 2012 versprochen.
Es gibt somit keinen Ausweg aus dem Dilemma: Da die Taliban nicht »besiegt« werden können, wird der Rückzug ähnlich chaotisch wie im Irak. Diplomatische Absprachen mit den Taliban böten zwar einen Ausweg, nur lehnen diese das Karsai-Regime und die afghanische Verfassung weiterhin ab. Da nützt auch kein Taliban-Büro in Katar, das die Kommunikation ermöglichen soll.
Die diplomatische Option bietet somit keine realistische Lösung. Das Video bestätigt obendrein, dass dies kein »guter« Krieg ist, wie Obama meint. Wenn die USA moralischer »Standartenträger« in Kriegen sein wollen, wie ihr Präsident in der Nobelpreisrede verspricht, sollten sie abrücken. In Afghanistan ist für sie nichts mehr zu gewinnen - besonders keine moralische Glaubwürdigkeit.
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