Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur SPD/Rente
Bielefeld (ots)
Seit heute ist klar, weshalb niemand aus der Troika noch Lust hat, SPD-Kanzlerkandidat zu werden. Mit dem Thema Altersversorgung kann jeder nur verlieren. Das gilt für Sigmar Gabriel, der sein Rentenkonzept nur dadurch retten konnte, dass er den kritischen Teil vertagte. Aber auch für Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück kann die Sorge der Deutschen um ihren Ruhestand zum Killerthema werden. Gabriels gestriger Versuch, das rote Tuch mit dem Aufdruck »Rente mit 67« verblassen zu lassen , bleibt ein Ablenkungsmanöver. Er wollte zumindest den Eindruck erwecken, auch künftig könnten viele schon mit 65 in den Genuss von Ruhegeld kommen. Allerdings, das Fünf-Milliarden-Wahlgeschenk wird nur wenige erreichen. Die Berücksichtigung von Versicherungsjahren statt Beitragsjahren soll nach SPD internen Berechnungen letztlich 200 000 Versicherten aus Industrie und Handwerk einen Vorteil bringen. Geringverdiener, Langzeitarbeitslose und auch Akademiker mit ihren auf ein Versicherungsjahr reduzierten Studienzeiten haben dagegen von Gabriels Vorstoß nichts zu erwarten. Im Flügelstreit der SPD geht es daher auch um einen anderen Punkt: die Absenkung des Rentenniveaus von 51 auf künftig 43 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Diese knallharte Sparmaßnahme, die alle und jeden künftigen Rentenbezieher trifft, ist die zweite Ruhegeldkürzung angesichts der demographischen Entwicklung - und sie ist längst Gesetz. 2007 hat die Große Koalition das Rentensystem auf die künftigen Belastungen eingestellt. Alle drei SPD-Granden haben als Bundesminister der Großen Koalition bei Kanzlerin Angela Merkel dafür die Hand gehoben. Im kommenden Bundestagswahlkampf muss die SPD fürchten, dass ihr statt des verhassten Renteneintrittsalters mit 67 eben diese andere, bislang ausgeblendete Zahl um die Ohren fliegt: Nur noch 43 Prozent Rente vom früheren Durchschnittseinkommen, da wird Wahlkampf schmerzensgeldpflichtig. Schon geht in SPD-Kreisen die Furcht von einem »zweiten Hartz IV« um. Denn alle wissen, dass die Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2009 mit gerade noch 23 Prozent der Stimmen nicht allein Steinmeier angekreidet werden kann. Gleich gestern grätschte die Konkurrenz von der Linkspartei mit ihren stets getoppten Forderungen in die ungeschützte Flanke der Sozialdemokraten. Mit noch mehr Sorge blickt das Willy-Brandt-Haus auf den linken Flügel der SPD und die Gewerkschaften. Sie wollen nicht Gabriels Umweg über eine gestärkte betriebliche Altersvorsorgung mitgehen, um künftige Lücken zu schließen. Sie verlangen die Rücknahme der Zahl 43 im Gesetz auf 51 Prozent. Unmöglich, weiß die Troika: Steinmeier hält das für Harakiri, Steinbrück kann auch rechnen und Gabriel hat erkannt, dass es besser ist, sich einen schlanken Fuß zu machen.
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