Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Rücktritt des Papstes
Bielefeld (ots)
Bis zum Schluss ist sich Benedikt XVI. treu geblieben. Gestern galt sein Papstwort ein letztes Mal den Kardinälen - jenen Männern, die bald seinen Nachfolger suchen. Dieser so kluge Theologe ist eben Kirchenmann durch und durch, ein Menschenfischer hingegen war er nie. Er hat versucht, die Kirche zu bewahren, doch bewährt hat sich dieser streng nach innen gerichtete Kurs nicht. Benedikt XVI. hat seine Kirche nachhaltig geprägt. In den acht Jahren als Papst, vor allem aber in den zwei Jahrzehnten zuvor, in denen er als Kardinal Joseph Ratzinger der Glaubenskongregation vorstand. Um so mehr muss den 85-Jährigen der gegenwärtige Zustand seiner Kirche beschweren. Die zahllosen Missbrauchsfälle, Vatikanbank-Affäre, Vatileaks und jüngst die Gerüchte um Sex und Korruption im Kirchenstaat haben das Ansehen des Katholizismus weltweit aufs Schwerste erschüttert. Kritiker fühlen sich längst in ihrer Ablehnung bestätigt, die Gläubigen aber sind es, die an der Last tragen. Sie fragen sich: Und das soll meine Kirche sein? Den in Deutschland besonders spürbaren Entfremdungsprozess vieler Christen von ihrer Kirche hat Benedikt XVI. nicht aufhalten können. Gewiss, die übertriebenen Hoffnungen seiner Landsleute konnte er gar nicht erfüllen. Denn die Bild-Schlagzeile »Wir sind Papst!« war von Beginn an in der Sache so falsch wie sie journalistisch genial bleiben wird. Dieser Papst war ein Deutscher, ja, doch er dachte stets aus Sicht der Weltkirche. Dass ausgerechnet Benedikt XVI., der doch um die Probleme seiner Heimatkirche wissen musste, hier konsequent blieb, enttäuschte viele. Dabei liegt es auf der Hand, dass das, was deutsche Katholiken bewegt, etwas ganz anderes sein kann als das, was die schnell wachsenden Kirchen in Mittel- und Lateinamerika beschäftigt. Das heißt für die Zukunft, dass die katholische Kirche dringend mehr Dezentralisierung braucht. Dass es daran fehlt, zeigte jüngst die eifrige Diskussion der deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrskonferenz darüber, wer genau in Rom denn nun Kardinal Meisner grünes Licht für sein plötzliches Ja zur »Pille danach« gegeben hat. Die Einheit der Weltkirche ist ein hehres Ziel. Doch wenn Kirche vor Ort nicht mehr funktioniert, kann der theologische Überbau den Alltag der Gläubigen auch erdrücken. Die katholische Kirche braucht mehr Weltzugewandtheit, wenn sie auch mehr Weltlichkeit weiter zu Recht ablehnt. Die Abschaffung des Zölibats allein vermag die Probleme hierzulande so wenig zu lösen wie es Frauen im Priesteramt könnten. Das beweist ein Blick auf die evangelische Kirche. Doch die Verteidigung aller Lehrsätze klingt hohl, wo in immer kleiner werdenden Gemeinden engagierte Christinnen von Leitungsämtern in ihrer Kirche ferngehalten werden. Die deutschen Katholiken sind nun gewiss nicht mehr Papst, aber sie bleiben Kirche. Es wäre gut, wenn der neue Pontifex in Rom das begreift und auch beherzigt - egal, wo er herkommt.
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