Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Leiharbeit
Bielefeld (ots)
Die einen fordern: Leiharbeit muss abgeschafft werden. Andere behaupten: Ohne Leiharbeit geht es nicht. Beim Thema Arbeitnehmerüberlassung gibt es in der gesellschaftlichen Diskussion scheinbar nur ein Schwarz oder Weiß. Zehn Jahre nach der Hartz-Reform von Rot-Grün, die der Leiharbeit einen großen Schub verpasste, halten Teile der SPD sie für Teufelswerk. Die Zeitung »Die Linke« empfiehlt sogar die Auswanderung nach Namibia, weil dort Leiharbeit gerade abgeschafft worden ist. Auf dieser Seite steht Leiharbeit fast in einer Linie mit Kinder-, Sklaven- und Zwangsarbeit. Auf der anderen Seite erscheint Leiharbeit als Allheilmittel, das allein die deutsche Wirtschaft trotz hoher Löhne und weitgehendem Arbeitsplatzschutz wettbewerbsfähig erhält. Dabei ist den Vernünftigen inzwischen klar geworden, dass es ein solches Allheilmittel nicht zum Nulltarif geben kann. Wenn ein Unternehmen die Flexibilität braucht, auf Schwankungen bei der Nachfrage mit einem beweglichen und, um es in der Börsensprache zu formulieren, »volatilen« Personalstand zu reagieren, dann soll es für diese Leistung auch bezahlen. Das System kann nicht funktionieren, wenn ein Mehr an Leistung letztlich für weniger Geld eingekauft werden kann. Die Idee, dass Leiharbeitsfirmen ihr Personal aus dem Reservoir an Arbeitslosen rekrutieren und ihnen damit die Chance für einen Dauerarbeitsplatz eröffnen, war schön. Leider wird sie durch die Zahlen in den Statistiken nicht bestätigt. Heute arbeiten drei von 100 Beschäftigten in Deutschland bei einer Leiharbeitsfirma. Insgesamt sind es mehr als 900 000. Ihre Entlohnung ist schon lange kein Randthema mehr. Die besseren Betriebe folgen bei der Bezahlung seit zehn Jahren einem mit den DGB-Gewerkschaften ausgehandelten Tarifvertrag. Seit Anfang 2012 gilt der vom Bundesarbeitsministerium für allgemein verbindlich erklärte Mindestlohn. Bei den jetzt vorm Bundesarbeitsgericht in Erfurt verhandelten Fällen ging es um ausbeuterische Löhne in der Vergangenheit, die meist von sogenannten christlichen Gewerkschaften ausgehandelt worden waren. Die Urteile, die Ansprüche grundsätzlich bejahen, aber unter den Vorbehalt einer möglichen Verjährung stellen, werden manchen Leihfirmen das Überleben ermöglichen. Ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit sind sie aber nicht. Sie benachteiligen vor allem jene, die weder eine Rechtsschutzversicherung haben noch Mitglied einer Gewerkschaft sind. »Equal pay« - gleicher Lohn - ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch des Betriebsfriedens. Unterm Strich ist Leiharbeit damit natürlich teurer als die Stammbelegschaft. Andererseits ermöglicht es Leiharbeitsfirmen, mehr qualifiziertes Personal einzustellen. Vergessen wird oft, dass es für viele Arbeitnehmer bei entsprechender Bezahlung durchaus reizvoll sein kann, Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen mal hier, mal dort einzubringen - und sie so nebenbei zu vermehren.
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