Westfalen-Blatt: das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Steuerhinterziehung
Bielefeld (ots)
Das Jahrbuch »Geldanlage in Steueroasen« nennt 49 Offshore- und Nearshore-Finanzplätze. Sie versprechen gemäß Untertitel des seit vielen Jahren aktualisierten Standardwerkes von Hans-Lothar Merten »Diskretion, Sicherheit, Steueroptimierung«. So gesehen ist »Offshore Leaks« keine Sensation, sondern nur alter Wein in neuen Schläuchen. Substanziell Neues darf aber aus den noch auszuwertenden 2,5 Millionen Datensätzen zu 120 000 Offshore-Gesellschaften erwartet werden. Das Vermögen von Gunter Sachs, dessen Verwaltung und Weitergabe nach dem Tode des deutschen Jetset-Playboys ist steuerrechtlich detailliert geprüft. Was jetzt kommt, sind belastbare Beweise für angeblich in Schachtelfirmen verstecktes weiteres Vermögen. 130 000 Personen, darunter einige hundert Deutsche müssen zittern. Noch haben die 86 Enthüllungsjournalisten aus 46 Ländern nur viel angekündigt, aber noch wenig geliefert. Zug um Zug dürfte aber das gesamte Ausmaß öffentlich werden, dann können die Staatsanwälte aktiv werden. Zeitunglesen lohnt. Im Gegensatz zum Netzwerk Wikileaks, das die USA ohne Rücksicht auf Verluste an den politischen Pranger stellen wollte, soll diesmal etwas in jeder Beziehung moralisch Gutes geschehen. Superreiche, Langzeitdiktatoren und Schwarzgeld-Milliardäre müssen Steuern zahlen und Auskünfte geben, wie jeder andere kleine Bürger auch. Auf der Suche nach der undichten Stelle im Netzwerk der Kapitalflucht darf gerätselt werden. Die Selbstdarstellung von »Offshore Leaks« gibt auf der US-Homepage immerhin verdeckte Hinweise darauf, wem der Blick hinter den Vorgang sonst noch dient. So dürfte es den US-Geheimdiensten gefallen, dass auch das Iranische Atomprogramm mit Riesensummen dabei ist. Zum anderen wurde eine große Wirtschaftskanzlei in der Karibik identifiziert, die dem vermögenden Kapital- und Steuerflüchtling Lösungen aus einer Hand (One-stop Shop) anbietet. Wer hier die Festplatten illegal kopiert, hat ausgesorgt. Der britische »Guardian« berichtet über einen Verbund von 28 Schein-Direktoren, die 21 000 Briefkastenfirmen auf British Virgin Islands repräsentieren. Die 60 Inseln und Riffs zählen gerade soviel Einwohner wie Höxter, die dortigen Banken verwalten allerdings 2,4 Milliarden US-Dollar - offiziell. Ob, wann und an wen die Erben von Gunter Sachs oder Robert Mugabe und Imelda Marcos je einen Dollar zurückzahlen, bleibt offen. Aber ein gewisses Unbehagen dürfte den Geldadel schon aufmischen. Zudem steigt der Druck auf die G8-Staaten, ihre Bemühungen um globale Finanzkontrollen zu verstärken. Jeder Ankauf einer Daten-CD aus der Schweiz hat bislang zu einer Handvoll »Treffern« geführt - und ein Vielfaches an Selbstanzeigen gebracht. Analog dazu wäre jetzt eine Rückkehrmöglichkeit für reuige Megasünder angezeigt - vielleicht in Form eines diskreten Offshore-Beichtstuhls.
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