Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Frankreich
Bielefeld (ots)
Was ist los, bei unseren Nachbarn? Frankreichs Sozialisten zeigen mit dem Finger auf Angela Merkel, nennen ihren Kurs der Euro-Rettung »tödlich« und beklagen neuen Thatcherismus. Dabei kommen die Probleme nicht aus dem Ausland sondern sind im Innen zu suchen, und relativ schnell zu finden. Staatschef François Hollande und seine Regierung würden derzeit wohl am liebsten - gemäß einem französischen Bonmot - am liebsten den Frühling verhaften, weil der sich seit Wochen den Demonstranten von seiner sonnigen Seite zeigt. Und das könnte auch am 5. Mai und vor allem am 26. Mai wiederum geschehen. Die Franzosen wehren sich. Sie gehen auf die Straße. Tagtäglich kommen tausende in Paris und in größeren Städten zusammen, um gegen Hollandes Politik zu demonstrieren. Entzündet hat sich der Protest zunächst am Gesetz zur HomoEhe, das auch ein unbeschränktes Adoptionsrecht vorsieht. Für die Demonstranten geht es hier um Identität, um Herkunft und Zukunft des Menschen, und viele sehen in dem Gesetz nicht nur eine Herabsetzung der Ehe, sondern eine sozialistische Gleichmacherwalze, die fundamentale Unterschiede der Menschen (Geschlecht, Elternschaft, Verwandtschaft) einebnet und damit menschliche Verhältnisse in einem Beziehungsbrei ertränkt. In Umfragen ist die Mehrheit in Frankreich deutlich gegen die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare. Mittlerweile geht es um weit mehr. Krisenstimmung breitet sich aus. Jeden Tag verlieren etwa tausend Menschen ihren Job. Der Schuldenberg wächst. Der Ton wird rauer. Hier und da gab es bei den Demonstrationen schon Ausschreitungen radikaler, auch rechtsextremer Gruppen, die mit der Bewegung selbst nichts zu tun haben und sich auch jeder Kontrolle entziehen. Die Krisenstimmung entwickelt eine Eigendynamik. Auch in diesem Mai wird wieder mit Millionen Demonstranten gerechnet. Deshalb hatte die Regierung den Gesetzgebungsprozess beschleunigt, um die Bewegung zu unterlaufen und sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Regierenden wollen keine Debatte. Sie wollen nur ihre Gleichmachungspolitik brachial durchsetzen und auf diese Weise auch die linken Parteien vereint halten. Vor gut einer Woche wurde das Gesetz im Parlament verabschiedet - und die Opposition trug es gleich vor den Verfassungsrat. Der Kampf geht weiter. Die Bewegung »Demo für alle« protestiert friedlich. Der 26. Mai ist Muttertag. Man arbeitet mit Symbolen und Masse. Dauer und Umfang schaffen eine neue Legitimität, zeigen einen Volkswillen, den zu missachten und zu unterdrücken das Land lähmt und, wie der Kardinal von Paris warnte, auch zu Gewalt führen kann. Die Arroganz der Ideologen provoziert. Ihre Unfähigkeit macht wütend. Eine Staatskrise droht, vielleicht schon in diesem Frühling.
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