Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum TV-Duell
Bielefeld (ots)
4500 Zuhörer bei Peer Steinbrück in Detmold, knapp 4000 beim Auftritt von Angela Merkel in Minden: So gering, wie oft behauptet, scheint das Interesse der Deutschen an Politik gar nicht zu sein. Und doch sind selbst bestens besuchte Wahlkampfauftritte nichts gegen die Zuschauerzahlen, die das TV-Duell an diesem Sonntag erwarten lassen. Wenn mehr als zehn Millionen Wähler zusehen, darunter womöglich viele Unentschiedene, ist der Auftritt für beide Kandidaten enorm wichtig. Vorsprung in Umfragen hin, Beliebtheitswerte her: Im Lager der Kanzlerin nimmt man den Herausforderer an diesem Abend besonders ernst. Nicht umsonst hat Merkel ein zweites Duell verhindert, und sie hätte auch liebend gern auf dieses eine verzichtet. Die Kanzlerin weiß um Steinbrücks Redekünste, und sie weiß um ihre Qualitäten in dieser Kategorie. Doch ist da noch etwas anderes, was Angela Merkel ins Risiko bringt: Sie geht als haushohe Favoritin in das Duell. Mit anderen Worten: Die Kanzlerin hat etwas zu verlieren. Und das kann man von Peer Steinbrück nicht behaupten. Im Gegenteil: Die Lage des Herausforderers scheint so hoffnungslos, dass das schon wieder ein Vorteil sein kann. Da fügt es sich, dass Steinbrück in den vergangenen zwei Wochen ein gutes Stück seiner Selbstsicherheit zurückgewonnen hat. Und dass nicht Angela Merkel, sondern er selbst seine größte Herausforderung in diesen 90 Minuten vor laufenden Kameras werden wird, weiß er mittlerweile auch. Die Frage wird sein, ob er es auch beherzigt. Und selbst wenn, befreit ihn das nicht aus dem Dilemma, ein Programm zu vertreten, das die für einen SPD-Sieg so wichtige Wählermitte eher verschreckt als anspricht. Doch egal wie Angela Merkel und Peer Steinbrück sich am Ende schlagen werden, ist eines schon klar: Noch wenn der Abspann des TV-Duells läuft, beginnt die Schlacht um die Deutungshoheit. Dabei kommt vieles einer selbsterfüllenden Prophezeiung gleich. Und ob es tatsächlich relevant ist für den Regierungschef eines 80-Millionen-Volkes, welches Sakko sie oder er trägt, oder ob sie oder er sich einmal versprochen hat, wäre auch mal ein Thema für eine grundlegende Debatte. So ist das Format - erst recht in seiner Starrheit - durchaus dazu geeignet, der Trivialisierung der Politik Vorschub zu leisten. Diese Trivialisierung aber erleiden Kanzlerin Merkel wie Kandidat Steinbrück gleichermaßen, dessen darf man gewiss sein. Nur ihre Reaktion darauf ist völlig verschieden. Peer Steinbrück will die Menschen aufwecken und auch aufregen. Er weiß, dass sein Kurs sehr anstrengend sein kann. Angela Merkel hingegen hat beste Erfahrungen damit, ihre Arbeit zu machen und die Leute möglichst unbehelligt ihr Leben leben zu lassen. Viel unterschiedlicher können Politikansätze kaum sein. Ein Grund mehr, sich am Sonntagabend selbst ein Bild zu machen. Schalten Sie also ein!
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