Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Thomas Bachs Kandidatur für das Amt des IOC-Präsidenten
Bielefeld (ots)
Denken Sportler an Olympia, wird ihnen das Herz weit, werden die Augen feucht. Die Spiele waren, sind und bleiben das große Ziel eines Jeden, der Leibesertüchtigung mit Talent und Ehrgeiz betreibt. Thomas Bach holte 1976 Gold mit den Florettfechtern in Montreal. Vier Jahre später musste er wegen des Boykotts zuschauen, wie in Moskau Medaillen vergeben wurden. Das hat ihn im Sport politisiert. 1981 wurde er Mitglied der Athletenkommission des IOC, heute wird Bach wohl Oberolympier. Es war ein steiler Weg zur Macht, auf dem sich der promovierte Jurist durch diplomatische Geschmeidigkeit auszeichnete und sich nur wenige Fehltritte leistete. Sein Vertrag mit Siemens zur Kontaktpflege im arabischen Raum (400 000 Euro Gehalt, 5000 Euro Tagesspesen) sorgte vor allem bei dem Münchener Unternehmen für Aufregung. Haftbar gemacht wurde er von vielen für die restriktive Informationspolitik des IOC - vor allem im Zusammenhang von Abhängigkeiten zwischen Politik, Wirtschaft und Sport. Alles richtig, und durch die Wahl Bachs würde auch nicht alles gut beim Verbands-Dinosaurier IOC. Aber: Bach ist ein Garant, dass der Weg, den der derzeitige IOC-Präsident Jacques Rogge eingeschlagen hat, weiter beschritten wird. Durchaus notwendigerweise. Nach dem Bestechungsskandal 1999 um die Vergabe der Spiele und der nicht mehr ignorierbaren Dopingproblematik musste sich das IOC ja bewegen. Unter anderem wurde eine Altersgrenze von 70 Jahren eingeführt, die Auswahl der Olympiaausrichter wurde bestechungsresistenter organisiert. Aber natürlich ist das IOC noch lange nicht so, wie es in einer mehrheitlich demokratisch organisierten Welt sein müsste. Denn natürlich darf und muss auch weiter darüber gesprochen werden, warum ein milliardenschweres Unternehmen wie das IOC weiterhin Steuervorteile genießt. Natürlich muss und darf auch darüber diskutiert werden, wie weit man sich wirtschaftlichen Interessen unterordnet und dabei in Kauf nimmt, sich von scheindemokratischen und offen despotisch organisierten Ländern am Nasenring durch die Öffentlichkeit ziehen zu lassen. Und auch nicht unwesentlich: Muss sich Olympia wirklich jedem Sportzeitgeist unterwerfen? Am wichtigsten aber: Die Gesundheit der Athleten muss das höchste Gut bleiben und darf nicht weiter auf dem Altar des Leistungsgrößenwahns und der TV-Einschaltquoten geopfert werden. Man darf optimistisch sein, dass Thomas Bach diese Probleme sieht und angehen wird. Doch auch der 59-Jährige wird keine Veränderungen initiieren, die alle zufriedenstellen. Trotzdem ist der Deutsche ein guter Kandidat - und das nicht nur, weil er eben nicht in der Tradition des Franco-Schützlings Samaranch oder des nicht gerade als Semiten bekannten Brundage steht.
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